High Heels mit acht, Diaet mit neun
kurzem eine wohlerzogene junge Frau in den Zwanzigern zu sehen, die zusammen mit ihrer Mutter in einem Auto fuhr. Die junge Frau zuckte zusammen, als sie an einem Plakat vorbeifuhren, auf dem sie ihre Dienste als Stripperin anbot. Ihre Mutter bemerkte in anerkennendem Ton: »Du hast mir nie gesagt, dass du einen Job gefunden hast.«
Bände spricht auch, dass, obwohl mehr Frauen als jemals zuvor in Großbritannien die Universität besuchen, unsere Hochschulabsolventinnen nicht unbedingt von Spitzenpositionen in Politik und Wirtschaft träumen. Stattdessen empfinden einige unserer klügsten jungen Frauen die Notwendigkeit, öffentlich Aufmerksamkeit zu erregen, indem sie nackt posieren, an Schönheitswettbewerbenteilnehmen und sich auf freie Stellen in der Sexindustrie bewerben. Laut einer Untersuchung der Universität von Leeds besitzt eine von vier Lapdancerinnenheute einen Hochschulabschluss. 98
Charlotte Litten, 24, die einen Basisabschluss in Medienwissenschaft und Journalismus besitzt, erklärt dies ganz unbefangen so: »Lapdancingist der perfekte Weg, um neben dem Studium Geld zu verdienen. Die Arbeitszeiten sind flexibel, und man verdient mehr als beim Kellnern.« 99
Inzwischen hat das Magazin»Varsity« der Universität Cambridgedie ersten Model-Aufnahmen von nackten Studentinnen veröffentlicht, ungeachtet der Tatsache, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass sich ihre Mütter die Zulassung zu den bis dato männlichen Colleges hart erkämpfen mussten. 100
Während es natürlich das Recht der Frauen ist, ihren eigenen Weg zu gehen, wäre es in jeder vorhergegangenen Epoche undenkbar gewesen, dass Frauen öffentlich Ambitionen entwickeln, Sexobjekte zu sein. Aber das ist mittlerweile so akzeptabel geworden, dass es quasi schon zur Normalität gehört – in einer Welt, in der auch unsere Kinder leben. Woran sollen sich unsere jüngeren Kinder orientieren, wenn schon ihre größeren Geschwister dem Glauben anhängen, dumm zu sein sei sexyer?
Die Emanzipation der Frauen hat unseren kleinen Mädchen das Versprechen hinterlassen, dass sie werden können, was sie wollen. Mittlerweile ist dieses Versprechen zu der Botschaft verdreht worden, dass Mädchen tatsächlich alles machen können, was sie wollen, wenn sie Sex haben.
Welche Signale senden wir als Eltern an unsere Töchter, wenn wir angesichts dessen kaum noch eine Augenbraue heben? In der Vergangenheit waren Zeitschriftenund Fernsehprogramme darauf bedacht, gewisse Grenzen nicht zu überschreiten, weil sie Proteste seitens der Eltern befürchteten. Aber weil wir uns Sorgen machten, wir könnten »uncool« oder »rechtskonservativ« wirken oder es könnte der Eindruck entstehen, wir hätten etwas gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, haben wir den Mund gehalten und so lange nichts getan, dass jetzt nur noch wenige ihre Meinung sagen.
Ich hoffe, dass wir irgendwann in der Zukunft mit demselben Befremden auf diese Internet-Ära zurückblicken werden, mit dem wir heute beispielsweise auf die Epoche der industriellen Revolution schauen, in der Kinder in Bergwerken arbeiten mussten. Ebenso, wie diesen Kindern ihre Kindheit gestohlen wurde, verlieren heutige Kinder ihre Unbefangenheit an eine gesetzesfreie Vulgärkultur und Sexualisierung.
Gegenwärtig werden unsere Mädchen von den Erwartungen, die auf ihnen lasten, schier erdrückt – während wir nichts weiter tun, als einen Kanarienvogel in den Grubenschacht zu schicken, um Anhaltspunkte zu gewinnen, wie schlimm es noch werden könnte. 101 Unseren Töchtern wurde die hart erkämpfte Freiheit, werden zu können, was sie wollen, wieder weggenommen. Sie haben gelernt, dass sie an der Schule nur dann als beliebt und erfolgreich gelten werden, dass sie die Aufmerksamkeit und Zuwendung von Männern nur dann gewinnen werden, wenn sie sich in ein sehr enges Klischeevon weiblicher Attraktivität und weiblichem Erfolg einfügen.
Anstatt die sorgenfreien Tage ihrer Kindheit zu genießen, spüren sie, dass sie diese wertvolle Zeit nutzen müssen, um herauszufinden, wie sie sich bestmöglich in diese Hierarchie einpassen. Unsere Kinder werden gezwungen, in einer sinnleeren Welt zu leben, in der Blicke alles sind, was für sie zählt – weil sie auch alles zu sein scheinen, was für andere Menschen zählt.
Denkt man an die Veröffentlichung des Romans »Lolita« in den 1950er Jahren und an den Erfolg, den eine zur Kindfrau stilisierte Brooke Shields in den1980er Jahren hatte, mag es einem heute
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