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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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typischerweise davon geträumt, eine brillante, gefeierte Schuhdesignerin zu werden oder vielleicht die jüngste Herausgeberin der Vogue aller Zeiten – so etwas in der Art.
    Na gut, irgendwann würde sie wohl herausfinden, was der Traum zu sagen hatte, und dann würde sich das Ganze in Luft auflösen. Träume waren sowieso etwas so Albernes. Sie hatten nichts zu bedeuten.

25
    Isabelle
    Im Laufe der letzten vier Jahre hatte Isabelle viele Male darüber nachgedacht, wie es wohl sein würde, wenn Clothaire ihr einen Heiratsantrag machte, und hatte den Augenblick im Geiste geprobt. Sie hatte sich ausgemalt, dass er sich dafür vielleicht das hübsche Café in der Rue Rivoli aussuchen würde, den Schauplatz vieler ihrer anfänglichen Verabredungen. Ihre Hand würde auf dem Tisch liegen, zwischen ihrem Kännchen heiße Schokolade und ihrem halb aufgegessenen Mont-Blanc, und Clothaire würde langsam die seine darauf legen, ihr in die Augen schauen und sagen... Oder er würde sie überraschen, wenn sie nebeneinander auf einer Bank neben dem Springbrunnen im Jardin de Luxembourg saßen und lasen; plötzlich würde er einen Kniefall machen und...
    Im Zug auf dem Heimweg nach Paris hatte Isabelle diese Szenarios in einem neuen, kälteren Licht noch einmal vor sich ablaufen lassen. Irgendwie war es schwieriger für sie geworden, sich die Heiratsantrag-Szenen vorzustellen, und letzten Endes auch, daran zu glauben. Was hatte sich verändert? Waren es jene (heftige Gewissensbisse auslösenden) Erinnerungen daran, wie sie mit Tom in dessen Bett herumgekugelt war? Oder die quälende, ungelöste Angelegenheit mit Clothaire und der geheimnisvollen jungen Frau, mit der Belladonna ihn angeblich gesehen hatte? Nein, etwas anderes war geschehen. Allmählich ging Isabelle auf, dass Clothaire außerhalb ihrer Tagträume nicht im Mindesten romantisch war und es auch niemals gewesen war. Das war auch besser so, wirklich. Die Ehe war eine ernsthafte, lebenslange Verpflichtung, und
nicht der Stoff, aus dem Romantik und Fantasien gemacht wurden. Je eher sie ein Datum festlegten und alle von ihren Absichten unterrichteten, desto besser.
    Isabelle stellte sich vor, wie sie im förmlichen Abendkleid auf dem Bal de l’X neben Clothaire stand, einem eleganten Wohltätigkeitsball, der im Frühling von der École Polytechnique, einer prestigeträchtigen Militärhochschule, in der Pariser Oper veranstaltet wurde. Während der letzten Jahre war sie mit ihren Freunden regelmäßig dorthin gegangen. Vielleicht wäre das der beste Zeitpunkt, um ihre Verlobung bekannt zu geben. Auf die Romantik eines Heiratsantrages konnten sie verzichten.
    Sie konnte Clothaire gleich heute Abend von diesem Plan erzählen, denn er würde sie im Gare du Nord vom Zug abholen; danach wurden sie bei ihren Eltern zum Abendessen erwartet. Die Nacht würden sie in ihrer Wohnung verbringen, die leer war, weil Daisy über Weihnachten nach England zurückgefahren war. Ganz kurz fragte sich Isabelle, wie es wohl um Daisys Liebesleben bestellt war. Da war irgendetwas mit Octave gelaufen, hatte sie von ihren Mitbewohnern erfahren, und Isabelle bereute es jetzt, dass sie nicht das eine oder andere Wort über diesen unverbesserlichen Verführer mit in die Liste praktischer Richtlinien aufgenommen hatte, die sie Daisy in ihrer Wohnung hinterlassen hatte. Seitdem hatte Jules irgendetwas von Daisys neuem Freund erwähnt, einem Künstler, der ein ganzes Stück älter war als sie. Tom war auch ein wenig älter als sie selbst, dachte Isabelle völlig belanglos, obwohl man es nie merken würde. Ungeduldig schüttelte sie den Kopf.
    Später, als sie zum Ausgang des Bahnsteigs kam und den Blick suchend über das Meer erwartungsvoller Gesichter wandern ließ, auf der Suche nach den vertrauten, düsteren Zügen ihres Freundes, erblickte sie stattdessen ihre beiden Schwestern – die 21-jährige Camille und die 17-jährige Aude -, die ihr strahlend zuwinkten.

    »Isa! Bienvenue à Paris! «, rief Aude, warf sich in die Arme ihrer großen Schwester und drückte sie enthusiastisch.
    Camille lächelte Isabelle über Audes Schulter hinweg zu, wartete geduldig, bis sich ihre große Schwester von ihrer kleinen Schwester gelöst hatte, und trat dann vor, um Isabelle leicht auf beide Wangen zu küssen.
    »Salut. Gute Reise gehabt?«, erkundigte sich Camille.
    »Ja, danke. Hé! Dis donc, du hast dir ja die Haare abschneiden lassen«, stellte Isabelle fest und wuschelte in Camilles neuem, glatten Bob

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