High Heels und Gummistiefel
hinzu: »Rosie lacht sich bestimmt halb tot.«
»Rosie ist nach Hause gegangen. Sie hat keine Geduld mit Menschen, die sich nicht wohlfühlen.«
Isabelle blickte zu Boden und seufzte. Dann schien sie das Thema zu wechseln und sagte: »Ich verstehe überhaupt nichts von Gärten oder vom Gärtnern.«
»Mach dir deswegen keine Gedanken. Ich habe nie die Bücher meiner Großtante gelesen, erinnerst du dich?«
»Ja, natürlich.« Isabelle schien sich ein wenig gerader aufzusetzen. »Jetzt geht es mir wieder gut. Danke, dass du dich um mich gekümmert hast. Ich gehe lieber auch nach Hause.«
Jäh fing Tom ihren Blick mit dem seinen ein und hielt ihn fest. »Bleib hier«, sagte er und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Bleib hier bei mir.«
Isabelle wurde die Kehle eng. Sie durfte nicht weinen. Stattdessen ballte sie die Hände zu Fäusten und schlug ein paar Mal gegen seine Brust, nicht besonders fest.
»Ich kann nicht. Ich kann nicht. Ich kann nicht.«
Ganz kurz hielt er sie leicht mit den Armen umfangen, dann ließ er sie los. »Okay. Ich fahre dich nach Hause.«
Im Auto war Isabelle sehr still; sie hielt die Augen geschlossen und das Gesicht abgewandt. Als Tom vor Daisys Haus hielt, öffnete sie die Augen und sagte höflich: »Vielen Dank fürs Fahren. Dann sehen wir uns also im Januar, wenn ich wieder da bin. Ich hoffe, du hast wunderschöne Weihnachten.«
»Ja, du auch, Isabelle. Ich hoffe, alles läuft gut in Paris.«
Isabelle lächelte kurz und schickte sich an, die Autotür zu öffnen. »Eine Sekunde«, sagte Tom, drehte sich um und griff nach etwas auf dem Rücksitz. Er reichte es ihr, in Zeitungspapier eingewickelt.
»Bitte nimm das hier. Ein winzig kleines Weihnachtsgeschenk.«
Isabelle wickelte einen kleinen Zweig mit cremeweißen Blüten aus.
»Das ist Winter-Geißblatt. Der Duft ist wunderschön.«
Isabelle schluckte mühsam. »Danke, Tom.«
Sie beugte sich zu ihm hinüber, küsste ihn auf die Wange, wobei sie in ihrem Kopf größtmögliche Leere herrschen ließ, und war binnen Sekunden aus dem Wagen geschlüpft.
Als Isabelle am nächsten Morgen erwachte, hatte das Geißblatt ihr ganzes Zimmer mit seinem Duft erfüllt, und später glaubte sie es auch noch in anderen Teilen des Hauses zu riechen, und sogar an sich selbst. Als sie sich auf den Weg zum Bahnhof machte, ließ sie den Zweig zurück und spendete ihn Chrissie. Doch in ihrer Erinnerung folgte der Duft ihr bis nach Paris.
24
Daisy
Alles in allem, dachte Daisy bei sich und betrachtete die Szene im Wohnzimmer ihrer Eltern, konnte man sagen, dass Weihnachten gut über die Bühne ging. Zum einen schienen sich alle über ihre Geschenke gefreut zu haben, besonders Raoul, der ganz hingerissen von dem Pop - up -Kamasutra gewesen war, das Daisy ihm überreicht hatte, ehe sie zum Frühstück heruntergekommen waren. Sodann war das mittägliche Weihnachtsessen, für ihre Mutter stets ein Anlass zu großer Sorge (die durch die Gegenwart eines französischen Gastes gewiss nicht kleiner geworden war), ein vollkommener Erfolg gewesen. Der Truthahn hatte sich sehr anständig benommen und sich Delias Anweisungen entsprechend braten lassen. Der Weihnachtspudding hatte aufs Schönste aufgelodert, und die Soße war nicht im Mindesten klumpig gewesen. Jetzt saßen alle im üblichen Zustand satter Benommenheit vorm Fernseher und aßen Schokolade.
Ihre Eltern waren sehr nett zu Raoul und taten ihr Bestes, damit er sich wie zu Hause fühlte. Zu Daisys Erleichterung hatte ihre Mutter keine forschenden Fragen gestellt, in welche Richtung ihre Beziehung denn ginge, zumindest bisher noch nicht. Daisy warf ihr einen Blick zu; Mrs. Keen hielt im Sessel neben ihr ein Nickerchen, und die Brille war ihr halb die Nase hinuntergerutscht. In Anbetracht ihrer romantischen Wesensart war es sehr wahrscheinlich, dass sie just in diesem Augenblick von einem eleganten Brautmutterkleid träumte (etwas in Lavendelblau, mit einem großen Hut).
Was Raoul betraf, so war er in vielerlei Hinsicht ein Vorzeige-Gast.
Er aß von allem, und zwar gewaltige Mengen. Er hatte sich liebenswürdig jeglichen Kommentars enthalten, als ihr Vater mit einer Flasche australischem Wein angekommen war. Während der Rede der Queen hatte er in stillem, respektvollem Unverständnis dagesessen. Er hatte bei den Knallbonbons mitgemacht und sogar einen Partyhut getragen.
Ein oder zwei kleine Schwierigkeiten jedoch hatte es gegeben. Wie jenen gelinde peinlichen Moment heute Morgen, als
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