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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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heute.
    Sie betraten das sonnenhelle Studio. Auf Chrissies Arbeitstisch, der sich über die ganze Länge des Raumes erstreckte, reihten sich Gläser voller bunter Perlen, Pailletten und Federn aneinander. Vor ihnen lag ein schmaler Filzstreifen, bestickt mit einer einzigen Perle, die ziemlich verloren wirkte – ein Werk im Entstehen, das nicht gerade vielversprechend aussah. Der unglückliche Hutmacher sank auf ein orangefarbenes Aufblas-Sofa. Vorsichtig nahm Isabelle neben ihm Platz. Frühere Erfahrungen hatten gezeigt, dass ein zu abruptes Hinsetzen den anderen durchaus von seinem Sitz katapultieren konnte. Nach einigem Nachfragen erfasste Isabelle Chrissies Lage allmählich. Er hatte schon früher den einen oder anderen Hut für Savage gefertigt, normalerweise irgendein kompliziertes Knalleffekt-Stück für den letzten Auftritt, und er hatte sich bereit erklärt, auf derselben Geschäftsbasis an dieser Kollektion zu arbeiten. Jetzt jedoch hatte Savage plötzlich verfügt, dass sie nicht einen, sondern acht Hüte für jeden der zehn Looks haben wollte, die sie plante.
    »Wieso denn acht?«
    »Das wissen wir noch nicht. Das hat alles irgendwas mit einem revolutionären Modekonzept zu tun, das sie sich ausgedacht hat, und sie will uns nicht sagen, was es ist.«
    »Das sind also achtzig Hüte. Und wann ist die Modenschau?«
    »Mitte September«, winselte Chrissie.
    »Jetzt ist doch erst Ende Juni«, wandte Isabelle resolut ein.
    »Ja, aber Savage, will, dass ich ihr sämtliche Hüte in vier Wochen liefere. Je-den Ein-zel-nen!«
    »Warum denn das?«
    »Sie schließt sich während der letzten paar Wochen gern ein, geht ihre Kollektion noch einmal durch und verpasst allem den letzten Schliff. Das gehört zu ihrem Prozedere.«
    »Ich verstehe.«
    »Und für jeden Hut, den ich kreiere, brauche ich bis zu drei oder vier Wochen, um ihn genau richtig hinzukriegen. Das ist mein Prozedere.«
    »Ja, du hast ein Problem«, gab Isabelle zu. Sie überlegte einen Moment. »Also, sie kann nicht einfach auf diese Weise die Geschäftsbedingungen ändern. Das ist doch nicht fair. Was steht denn in deinem Vertrag?«
    »Dar-ling«, erwiderte Chrissie geduldig, »ich habe doch keinen Vertrag . Ich tue, was sie sagt . Ganz einfach. Ich habe ja ein solches Glück, diese Chance zu kriegen. Mit ihr zu arbeiten könnte mich ganz groß rausbringen.«
    »Ich verstehe.« Es war, als hätte man einen neurotischen, aber durchaus respektierten Doktorvater.
    »Die Sache ist die, sie ist einfach nicht menschlich! Als ich das erste Mal mit ihr zusammengearbeitet habe, ist sie eine Woche vor der Schau total ausgerastet und hat beschlossen, dass sie die ganze Kollektion grauenhaft findet. Sie hat alles vernichtet, unsere ganze Arbeit, und hat neu angefangen, hat die Nächte durchgemacht. Wir hatten alle total Schiss, aber sie war dabei eigentlich ganz gut drauf.«
    Mitfühlend sah Isabelle Chrissie an. Diese Savage hörte sich wirklich nach einem schwierigen Fall an.

    »Vielleicht... könntest du ein paar Leute anstellen, die dir helfen?«
    »Das kann ich mir nicht leisten. Das Einzige, was ich an Geld für das Ganze kriege, sind die Materialkosten. Mehr gibt’s nicht.«
    Isabelle war zutiefst schockiert. »Du meinst, du wirst nicht für die Arbeit bezahlt, die du machst?«
    »Neiiin! Savage zahlt niemandem was. Sie ist selbst pleite, und außerdem hat sie das nicht nötig. Sie ist die heißeste Designerin der ganzen Szene, verstehst du?«
    Es war unglaublich, dachte Isabelle, dass irgendeiner verrückten Modeschrulle solcher Respekt und solche Hingabe entgegengebracht wurden. Schließlich war sie ja wohl kaum Mozart oder Michelangelo. Jäh hörte Chrissie auf, vor- und zurückzuschwanken und seinen Kopf mit beiden Händen zu umklammern. Er atmete tief ein und ergriff mit von vereinzelten Pailletten gezierten Fingern Isabelles Hand.
    »Isabelle, tust du mir einen Riesengefallen?«
    »Ja, natürlich«, antwortete Isabelle automatisch. Vielleicht wollte er ja einen Humpen voll beigefarbenem Tee oder einen Keks.
    »Kannst du mir bitte, bitte hierbei helfen?«
    »Dir helfen... die Hüte zu machen?«
    »Ja! Du bist doch Französin, nicht wahr? Bestimmt hast du doch jede Menge Talent. Ja, ich sehe es vor mir!« Er drückte ihren Arm; seine Stimmung besserte sich sichtlich. »Oh, das wird ja solchen Spaß machen! Bitte sag ja!«
    »Als ich das letzte Mal etwas gebastelt habe, war ich sechs Jahre alt«, erwiderte Isabelle behutsam. »Wir haben Blumen aus Filz

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