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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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weibliche Gestalt gemahnten. Eins davon war mit weiten Hosen mit Mini-Schleppen anstelle von Hosenbeinen sowie einem Top aus ungebleichtem Papier von Savage und einem ganz kurzen Satincape bekleidet, das wunderschön zerfetzt war. Für die andere hatte Daisy einen bodenlangen Reifrock eines bahnbrechenden ungarischen Designers und ein kurzes Jäckchen aus Känguruleder ausgewählt. Beide Schaufensterpuppen trugen identische weiße Perücken, die mit Klebstoff gesteift waren, so dass es aussah, als stünden ihnen die Haare zu Berge.
    Also, überlegte Daisy kritisch, war das jetzt alles ein bisschen zu verbreitet, zu langweilig, zu sehr déjà-vu?

    »Anouk! Tu es là? Komm her und sag mir, wie du es findest!«, rief sie in den Laden.
    Anouk, eine kompromisslose Modeexpertin, war die Inspiration, die hinter Organdi & Neopren steckte. Sie verkaufte ausschließlich handverlesene Einzelstücke internationaler Designer, je angesagter, desto besser. Daisy war ein großer Fan von ihr, und es war eine Ehre, die Schaufenster des Geschäfts zu gestalten. In ihrem nächsten Blog für Sparkle würde es um Anouk gehen.
    Es war eine Erleichterung gewesen, eine Pariserin kennenzulernen, die Mode ernst nahm. Agathe und ihre eleganten Freundinnen zeigten keinerlei Interesse an irgendwelchen Trends. Manchmal hatte Daisy sogar das Gefühl, dass sie das alles irgendwie komisch fanden.
    »J’arrive!« Anouk stieg ins Schaufenster und trat neben Daisy. Sie war winzig, ohne erkennbares Alter (Daisy hätte auf irgendetwas über fünfzig getippt), und – das wusste Daisy, weil sie sie oft bei den Schauen in London gesehen hatte, wo sie für ihre Kollektionen einkaufte – Anouk trug immer denselben Look: ein schwarzes Kittelkleid über schmalen schwarzen Hosen, Ballerinaslipper, das kurze, orangerote Haar sorgfältig mit der Brennschere gewellt und die Lippen zu einem dunkelroten Amorbogen nachgezogen. Mit einem Blick erfasste sie Daisys Werk und klatschte entzückt in die Hände. »J’adore! C’est simple , élégant ... Merci , ma petite Daisy.« Anouk drehte sich um, schaute auf die Straße hinaus und tippte Daisy auf die Schulter. »Aber ich glaube, du hast Besuch.«
    Daisy sah sich um: Es war Octave, mit einem Motorradhelm unter dem Arm. Ausnahmsweise war er allein. Er und Daisy waren sich auf Partys begegnet, doch er wurde stets von Bertrand und Stanislas begleitet. Er nahm die Zigarette aus dem Mundwinkel und verbeugte sich tief. Daisy kicherte und winkte ein wenig,
dann kletterte sie in den Laden zurück und ging hinaus, um Hallo zu sagen.
    »Hi, Octave, wie geht’s?«
    »Salut , Daisy. Ich traue meinen Augen nicht. Was sind denn das für unglaubliche Dinger?«
    »Fantastische Klamotten von fantastischen Designern.« Daisy seufzte selig und warf über die Schulter einen Blick auf ihr Werk.
    »Aber...« Hilflos deutete Octave auf den Reifrock. »Wer würde denn so was anziehen? Und warum?«
    Beklommen sah Daisy ihn an. »Ach? Du meinst, als Look funktioniert das nicht?«
    ›››Als Look?‹ Oh mein Gott!« Octave brach in schallendes Gelächter aus. »Es ist... sehr originell«, schloss er diplomatisch, bevor er das Thema wechselte. Hatte Daisy kurz Zeit für einen Kaffee? Sie hatte. Rasch ging sie in den Laden zurück, um sich von Anouk zu verabschieden, die »trés mignon« flüsterte und verschwörerisch den Daumen emporreckte.
    Als sie auf der Terrasse eines kleinen Cafés in der Rue Montorgueil im Schatten saßen, nahm Daisy Octave genau in Augenschein und beschloss, dass er, obwohl er wirklich attraktiv war – schlank, mit breiten Schultern, sehr weißen Zähnen und glatter, leicht gebräunter Haut -, ihr definitiv viel zu glatt war. Sein Haar zum Beispiel – eine gepflegte braune Außenwelle, die laut und deutlich »Muttersöhnchen« schrie! Und was er anhatte – ein richtig langweiliges blau-weiß gestreiftes Hemd, dunkelblaue Levi’s 501 und schwarze Halbschuhe (kein Helmut Lang weit und breit) -, also damit würde Daisy gar nicht erst anfangen, nahm sie sich fest vor.
    Nichtsdestotrotz verfügte Octave über jede Menge gallische Nonchalance. Lässig auf seinem Stuhl zurückgelehnt, redete er gerade über seinen tollen Job als leitender Irgendwas im Fernsehen.
    »Octave«, warf Daisy ein, als er innehielt, um an seinem e xpress
zu nippen, »kann ich dich etwas fragen? Weißt du noch? Auf der Party, auf der wir uns zuletzt gesehen haben?«
    Octave kniff die Augen zusammen; offenbar scannte er Myriaden von

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