High Heels und Gummistiefel
er auftischte, war vielmehr eine Köstlichkeit. Dazu gab es etwas, das für sie eine völlig neue, exotische Delikatesse war – Yorkshire Pudding, so luftig wie ein Daunenkissen. Was Isabelle die Stimmung verdarb, war, wie ihr rasch – mit einem ganz unerwarteten schmerzhaften Stich – klar wurde, dass er wieder so unverbindlich war wie am Anfang. Alle Spuren von Intimität waren gnadenlos ausgelöscht, so als hätte sich ein Wolkenvorhang vor die Sonne geschoben.
»Isabelle schreibt an einer Doktorarbeit über die Romane meiner Großtante«, erklärte Tom und schenkte Rosie ein Glas Wein ein.
»Wirklich? Worum geht’s denn dabei?«
Isabelle seufzte. So hatte sie das Thema The Splodge ihm gegenüber ganz bestimmt nicht zur Sprache bringen wollen.
»Ach, eigentlich ist das ein bisschen langweilig und theoretisch«, antwortete sie ausweichend. »Es geht um die Erzählstrategie in ihren Kriminalromanen.«
»Hört sich ja toll an«, meinte Rosie und sah zutiefst unbeeindruckt aus. Sofort wandte sie sich an Tom und gab eine lange Abhandlung darüber zum Besten, welche Art von Blasenfolie am besten dazu geeignet sei, ein Gewächshaus im Winter zu isolieren.
Unterdessen überkam Isabelle ein höchst seltsames Gefühl des Gespaltenseins. Ihr Verstand gratulierte ihr sehr entschieden dazu, wie gut sie sich in Tom Quinces Gegenwart hielt. Außerdem merkte er mit pedantischer Befriedigung an, dass die Anwesenheit einer dritten Person von großem Vorteil sei. Auf diese Weise könne nämlich nicht auf gewisse Ereignisse der jüngsten Vergangenheit angespielt werden, die sich zum Teil auf just dem Tisch abgespielt hatten, an dem sie jetzt saßen.
Ihr Körper schlug währenddessen einen völlig anderen Kurs ein. Beinahe schmerzhaft entzückt, Tom wiederzusehen, wäre er mit Freuden über den Tisch gehechtet, der zwischen ihnen stand, um sich an ihn zu schmiegen. Außerdem hielt Isabelles Körper, der das Ganze aus einer ziemlich animalischen Perspektive sah, überhaupt nichts von Rosie, die er augenblicklich als tête à claques allererster Güte eingestuft hatte – als fürchterliche Nervensäge, der man am liebsten eine runterhauen würde. Oder auch zwei.
Irgendwo zwischen diesen beiden Polen stellte ein weiterer, scheuerer und empfindlicherer Teil ihres Bewusstseins seine eigenen mäandernden Fragen, die sich hauptsächlich darum drehten, welchen Status die BH-lose, barfüßige Rosie wohl in Toms Leben innehatte.
»Rosie und ich waren vor ein paar Jahren im selben Gartenbaukurs«, sagte Tom, als er sich erhob, um den Tisch abzuräumen.
»Und dann haben wir uns letztes Jahr in Florenz wiedergetroffen«, fügte Rosie Isabelle zuliebe hinzu. »Ach, Tommy«, schwärmte sie mit einem kehligen Auflachen, »wir hatten es so unheimlich schön dort, nicht wahr? Und da ich gleich um die Ecke wohne«, fuhr sie fort, wobei ihr Blick nach und nach wieder zu Isabelle zurückkehrte, »komme ich oft vorbei, um Tom zu helfen. Inzwischen kommt es mir schon fast so vor, als wäre es auch mein Garten. Weil das Ganze für uns so ein Gemeinschaftsprojekt war, verstehen Sie?«
»Dann sind Sie also auch Gärtnerin?«, erkundigte sich Isabelle und versuchte immer noch, nicht daran zu denken, wie Tom und Rosie es in Florenz unheimlich schön hatten.
»Im Augenblick arbeite ich in einer Pflanzenschule.«
»Ach? Sie arbeiten mit Kindern?«
Rosie lachte ein wenig. »Nein, mit Bäumen und Pflanzen. Obwohl ich ja hoffe, irgendwann mal Kinder zu haben.«
»Danke«, sagte Isabelle, als Tom ihr ein verlockendes Stück Apfelkuchen reichte. »Tom, ich habe überlegt... Ich würde unglaublich gern Merediths Manuskripte sehen. Weißt du noch, wo sie sind?«
»Ich glaube, sie könnten vielleicht in einem Karton oben auf dem Dachboden sein.«
»Wirklich? Könnte ich vielleicht nach dem Essen mal dort nachsehen?«
»Selbstverständlich.«
»Wofür brauchen Sie die denn?«, wollte Rosie wissen. »Ist das auch für die Quince Society? Ich dachte, Tommy hat euch schon das Porträt geschenkt. Das reicht doch wohl.«
»Nein, mit der Society hat das nichts zu tun. Ich brauche sie für mich. Ich versuche, mir eine Vorstellung davon zu verschaffen, wie Meredith ihre Geschichten geschrieben, wie sie konkret gearbeitet hat. In den Manuskripten sind vielleicht Korrekturen zu finden, verschiedene Versionen, Kommentare am Rand, all so etwas.«
»All so was ist mir echt zu hoch«, bemerkte Rosie, tupfte die Kuchenkrümel mit dem Finger auf und leckte sie
Weitere Kostenlose Bücher