High Heels und Gummistiefel
ein Zusammenstoß auf der Treppe. Offensichtlich wird das ein wiederkehrendes Muster in unserer Freundschaft sein.«
»Offensichtlich«, stimmte Isabelle ihm zu. Sie lächelte ein wenig und rieb sich die Beine.
»Hast du dir wehgetan?«
»Nein, ich glaube nicht. Ich bin nur ein bisschen durchgeschüttelt worden.«
Tom stand auf und stieg ein paar Stufen hinauf, um ihren Schuh zu holen. »Sieht okay aus«, meinte er und zerrte an dem Absatz. »Soll ich ihn dir wieder anziehen?«
»Oh nein, danke. Das schaffe ich schon allein.«
Er reichte ihr den Schuh und trat schweigend zurück, während sie sich abklopfte und ein paar Spinnweben aus ihrem Haar zupfte. Sie stiegen in den Flur hinunter, und Tom schloss die Tür hinter ihnen.
»Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, Isabelle, aber ich könnte jetzt wahrscheinlich einen Kaffee vertragen.«
»Ja, das wäre schön.«
»Ich fürchte, Rosies Kaffee wird kontinentalen Ansprüchen normalerweise nicht ganz gerecht, aber wenigstens wird er heiß sein.«
In der Küche fanden sie Rosie auf dem Sofa vor, wo sie sich zusammengerollt hatte und mürrisch ein paar Bestellkataloge für Saatgut durchblätterte. Jetzt trug sie einen roten Fleecepullover mit Reißverschluss über ihrer Latzhose.
»Der Dachboden muss ja voller faszinierender Schätze sein«, bemerkte sie, ohne aufzublicken. »Habt ihr da übrigens mit Möbeln rumgeschmissen? Ich hab was rumpeln hören.«
»Ach, das waren nur wir, als wir die Treppe runtergefallen sind.«
Rosie hob den Blick und starrte. »Tommy, du siehst wirklich schlimm aus! Alles in Ordnung?«
»Alles bestens. Isabelle ist diejenige, die Fürsorge braucht. Sie hätte beinahe einen Schuh eingebüßt, weißt du? Ich habe mir sagen lassen, das sei ziemlich traumatisch.«
»Wirklich? Aber Ihnen ist doch nichts passiert, oder?«, fragte Rosie und musterte Isabelle kühl von oben bis unten. »Von zerrissenen Strümpfen mal abgesehen.«
Tom schenkte zwei Becher voll Kaffee, tat Milch dazu und rührte zwei Stück Zucker in Isabelles Becher.
»Oh... Danke, aber normalerweise trinke ich Kaffee nicht mit Milch und Zucker.«
»Ich weiß, aber du stehst unter Schock. Keine Widerrede. Trink das.«
Isabelle gehorchte und fühlte sich augenblicklich besser.
»Also, lange Rede, kurzer Sinn, wir haben keine Ahnung, wo die Manuskripte sind.«
»N-nein«, bestätigte Isabelle langsam und setzte sich neben Rosie, ohne ihre Gegenwart wirklich wahrzunehmen.
»Na und?«, sagte Rosie. »Die sind wahrscheinlich sowieso futsch. So wichtig ist das doch bestimmt nicht?«
»Nun, für Isabelle ist es wichtig«, entgegnete Tom vage und strich sich den Staub aus dem glatten Haar. »Und ich fühle mich wohl als Verwandter auch ein bisschen verantwortlich. Sie war meine Großtante.«
»Tom? Dein Vater weiß wohl nicht mehr, was er damit gemacht hat?«
»Oh, bestimmt nicht. Und selbst wenn, würde er so tun, als hätte er keinen Schimmer. Es war ihm zuwider, dass Meredith Schriftstellerin war, und jetzt will er nichts damit zu tun haben. Wahrscheinlich liegt es zum Teil daran, dass ich ihre Bücher nie gelesen habe.«
»Tommy, ich unterbreche dieses faszinierende Gespräch ja nur höchst ungern, aber es ist nicht mehr lange hell. Wenn du heute im Garten noch etwas schaffen willst, sollten wir anfangen.«
»Ich glaube, ich sollte lieber nach Hause gehen«, sagte Isabelle und griff nach ihrem Mantel.
»Warum bleibst du nicht noch ein Weilchen und ruhst dich etwas aus? Ich kann dich nachher nach Hause fahren.«
»Nein, danke, jetzt geht es mir wieder gut. Danke für das Mittagessen – es war köstlich. Es war nett, Sie kennenzulernen, Rosie.«
»Ganz meinerseits«, erwiderte Rosie, während sie mit dem Rücken zu Isabelle dastand und ihre Gummistiefel anzog.
»Isabelle«, sagte Tom, als er sie zur Haustür brachte, »warum kommst du morgen nicht wieder und nimmst dir den Dachboden vor? Es sei denn, du hast andere Pläne?« Als er sah, dass sie zögerte, fuhr er fort: »Ist vielleicht mal eine ganz nette Abwechslung von der British Library.«
»Na ja... das wäre toll, wenn es dir nichts ausmacht«, antwortete Isabelle dankbar. »Aber störe ich dann nicht bei deiner Arbeit im Garten mit, äh, Rosie?«
»Überlass Rosie ruhig mir. Du brauchst dich nur um die Manuskripte zu kümmern. Außerdem wär’s vielleicht eine gute Idee, morgen flache Schuhe anzuziehen, es sei denn natürlich, du planst noch weitere akrobatische Einlagen. In diesem Fall wäre ich
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