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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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natürlich mit Freuden bereit, dir wieder zu assistieren.«

20
    Daisy
    »Du siehst blendend aus, mon petit «, stellte Anouk wohlwollend fest, als ihre Freundin sie das nächste Mal in ihrer Boutique besuchte. »Wie ich sehe, tut dir ein bisschen Ablenkung gut.«
    Die fragliche Ablenkung bestand aus ausgedehntem Vögeln kombiniert mit häufigen Shoppingtouren in Sachen Slips, was Spaß machte, jedoch auch zwingend notwendig war, damit Daisy eine halbwegs angemessene Aussteuer erhalten blieb. Dank Raoul hatte sie einen ganz ordentlichen Verschleiß, weil er gern den Slip zerriss, wenn er sie auszog. Nach dem Octave-Debakel war derartiger Einsatz hochwillkommen. Selbstverständlich hatte Daisy niemals irgendwelche Zweifel gehegt, dass Sex für Raoul wichtig sein würde. Als er sie das erste Mal in sein Schlafzimmer gelotst hatte, war sie durchaus darauf gefasst gewesen, einen Spiegel an der Decke vorzufinden. Tatsächlich war keiner vorhanden, doch der wahrlich bemerkenswerte japanische Holzschnitt über dem Bett, der ein eng umschlungenes, in Kimonos gewandetes Paar darstellte, entschädigte mehr als genug dafür. Raouls freimütige Komplimente konnten zwar manchmal etwas befremdlich sein, im Großen und Ganzen jedoch war es schwer, sich nicht für einen Mann zu erwärmen, der unter anderem behauptete, ihr Schamhaar fühle sich an wie Nerz.
    Unterdessen traf Daisy sich nach wie vor einmal in der Woche mit Etienne Deslisses, um ungefähr eine Stunde lang Modegespräche zu führen. Der Kulturhistoriker schien über ihre Beiträge erfreut zu sein, und Daisy genoss ihre ungewohnte Rolle,
jemanden in eine fremde, mysteriöse Kultur einzuführen, in vollen Zügen. Das Netteste an Etienne war vielleicht, dass er sich niemals über sie lustig machte. Er schien sie tatsächlich ernst zu nehmen. Nach Daisys Erfahrungen hatten das nicht gerade viele Menschen getan.
    Als sie sich zum Beispiel zum dritten oder vierten Mal trafen, hatte Daisy gefragt: »Übrigens, Etienne, lesen Sie immer noch dieses Reisebuch – wie hieß es noch gleich... Club Tropicana ?«
    Etienne sah sie einen Moment lang an, dann antwortete er: »Sie meinen Tropic of Cancer.«
    »Ach ja, genau.«
    »Nein, das habe ich schon längst ausgelesen. Im Augenblick lese ich ein Buch über Kriminalität und Repression im 19. Jahrhundert. Das rezensiere ich für eine Zeitschrift. Was ist mit Ihnen?«
    »Na ja, ich lese die Vogue «, bekannte Daisy mit einem gewissen Maß an Verlegenheit. »Aber die französische Vogue!«, erläuterte sie eilig. »Auf die Weise lerne ich neue Vokabeln.«
    »Vielleicht können Sie mir heute etwas darüber erzählen. Ich habe die Vogue noch nie gelesen.«
    »Wirklich? Nicht einmal die Vogue Homme? «
    »Nein. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt.«
    Das ist doch einfach unfassbar, dachte Daisy und schaffte es irgendwie, nicht auf der Stelle eine SMS an Chrissie zu schicken.
    »Großer Gott, Etienne! Sie müssen sich unbedingt mit der Vogue vertraut machen. Ich habe mit elf angefangen, die zu lesen. Betrachten Sie sie als ernsthafte Zeitschrift für Leute, die sich mit Mode auskennen. Also gut. Kommen Sie, setzen Sie sich neben mich. Aber schnell.«
    Geduldig führte Daisy Etienne durch die ganze Zeitschrift und erklärte, wie sie aufgebaut war, warum sie so viel Werbung enthielt
und welche stilistischen Auswirkungen die Tatsache, dass eine der Herausgeberinnen früher die Muse eines gewissen Modeschöpfers gewesen war, auf den redaktionellen Inhalt hatte.
    »Und jetzt kommen wir zu den wichtigsten Storys.«
    »Storys?«, fragte Etienne neugierig. »Aber inwiefern sind das denn Storys? Ich kann da keinerlei Erzählung sehen. Nur Bilder vom selben Model in verschiedenen Outfits.«
    »Ah, aber genau das ist ja die Story, verstehen Sie? Hier zum Beispiel geht es um Unterwäsche. Das ist eine recht alte Story, die von Zeit zu Zeit wieder auftaucht. Eigentlich hat Madonna das Ganze erfunden, in den frühen Neunzigern.« (Hier erging sich Daisy in einer detaillierten Fußnote über die Verbindung der Sängerin mit Jean-Paul Gaultier, die Wiederentdeckung des Korsetts und die Bedeutung, die kegelförmige BHs für Männer hatten.) »Also hat derjenige, der dieses Shooting gestylt hat, bestimmt nach Stücken gesucht, die innerhalb dieser Story funktionieren, ob sie nun eigentlich als Oberbekleidung gedacht waren oder nicht. Richtig kreative Stylisten erfinden immer wieder was Neues. Ein Paar Strümpfe anstelle eines Tops oder ein Schuh als

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