Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
etwas an dem Blick seiner saphirblauen Augen berührte sie. Schüchtern lächelte sie ihm zu, raffte dann ihre Röcke und ging hinaus.
Als Alexander und Archie allein waren, sahen sie sich einen Moment lang schweigend an.
»Coll … wo?«, flüsterte der Verwundete.
»Es geht ihm gut; er hat nur ein paar Kratzer abbekommen. Munro MacPhail ist verletzt worden, aber er wird sich rasch erholen. Du hast Glück gehabt, Alexander. Wie ich hörte, hat ein Wilder dir einen Gewehrkolben übergezogen und wollte dich skalpieren, als Campbell dazwischengegangen ist. Ihm selbst ist es weniger gut ergangen.«
Der Leutnant griff in eine seiner Taschen und zog einen zerknitterten Zettel heraus, den er seinem Neffen reichte. Alexander nahm den Brief und überflog die eilig hingekritzelten Worte.
»Was … ist das?«, brachte er mühsam hervor. »Kann kein… Französisch lesen.«
»Ein Gefangener hat mir das zugesteckt, ein Fähnrich mit Namen Michel Gauthier de Sainte-Hélène Varennes. Von ihm weiß ich, was dir zugestoßen ist. Erinnerst du dich an ihn?«
Alexander betrachtete das Papier und überlegte. Ein Fährich … ob es sich um seinen Gefangenen handelte?
»Dieser Mann hat mir versichert, du hättest ihm das Leben gerettet… Ich sehe, dass du deinen Dolch zurückbekommen hast.«
Der junge Mann umklammerte die Waffe und fragte sich, ob Gauthier seinem Onkel auch verraten hatte, auf welche Weise er sie verloren hatte. Archie nahm das Papier, um es ihm zu übersetzen.
»Also… im Großen und Ganzen steht hier Folgendes: Sir … ich nehme mir ein paar Minuten Zeit vor meiner Einschiffung nach Frankreich … dieser Heimat, deren Boden ich nie betreten, für die ich aber gekämpft habe… um Euch meine große Dankbarkeit für den Mut zu entbieten, den Ihr bei der Rettung meines Lebens bewiesen habt … Dafür gebührt Euch meine allergrößte Hochachtung. Seid versichert, dass ich diese Ehrenschuld begleichen werde, wenn Gott es mir gestattet. Euer ergebener Michel Gauthier de Sainte-Hélène Varennes, Fähnrich Erster Klasse der Kompanie von Pierre-Roch Deschaillons de Saint-Ours bei den Freikompanien der französischen Marine.«
Er reichte Alexander das Papier zurück.
»Er hat mich nach deinem Namen gefragt, und ich musste ihm versprechen, dir die Nachricht persönlich zu überbringen. Du hast offenbar die Gunst eines hohen Herren erworben, mein Freund.«
Archie lächelte. Alexander bemerkte, dass unter seinem Kilt ein Verband hervorschaute.
»Die Sache wird unter uns bleiben. Was Roderick Campbell angeht… ich nehme an, Gott wird über ihn richten …«
Der Leutnant sah ihn weiter forschend an und versuchte, seinen Schutzpanzer zu durchdringen. Dann nahmen seine hellblauen Augen einen betrübten Ausdruck an. Die Kameradschaft, die sie als Knaben verbunden hatte, war auf immer dahin. Ihre kindlichen Spiele waren nichts weiter als schöne Erinnerungen. Heute waren sie Männer, die zwei völlig verschiedenen Welten angehörten. Alexander zweifelte nicht an Archies aufrichtiger Zuneigung zu Schottland und seinen Highlands. Sein Onkel war erst fünfzehn gewesen, als er bei der letzten Erhebung in den Dienst von Prinz Charles Edward getreten war. Anschließend war er wie alle anderen Jakobiten jahrelang geächtet und verfolgt worden. Doch jetzt hatte Archie sich für einen anderen König entschieden, dem er als Offizier Gehorsam schuldete. Alexander konnte sich ihm nicht anvertrauen, ohne ihn in eine prekäre Lage zu bringen. Besser, er beließ es dabei.
»Wie geht’s deinem Hals?«
Die Frage ließ ihn zusammenzucken. Unwillkürlich hob er die Hand an seine Wunde.
»Besser.«
»Das ist schön. Ich hoffe, du erholst dich so rasch wie möglich. Sobald ich kann, komme ich dich wieder besuchen.«
Archie wandte sich zur Tür und zögerte dann.
»Ähem … wahrscheinlich weißt du das von unserem General schon?«
»Ja.«
In dem Blick, den sie wechselten, traten die Gefühle, welche die Nachricht in ihnen erweckte, deutlich zutage. Doch sie sagten nichts und behielten ihre Gedanken für sich.
»Townshend hat das Kommando über die Truppen übernommen, die vor Québec liegen. Er treibt das, was von den Soldaten der Garde noch übrig ist, hinter die Mauern zurück. Beten wir darum, dass dieser Krieg bald zu Ende geht. Ihre Reserven an Nahrungsmitteln und Munition müssen so gut wie erschöpft sein. In einigen Tagen müssen sie sich entscheiden, ob sie kapitulieren oder hungers sterben wollen …«
Erneut
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