Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
John die Grundbegriffe des Französischen erlernt hatte. In Schottland hatte er kaum Gelegenheit gehabt, diese Sprache zu sprechen. Er hatte eher noch Glück gehabt, auf der Heide, wo man sich hauptsächlich auf Gälisch verständigte, sein Englisch nicht verlernt zu haben. Die wenigen Begegnungen mit den Bewohnern des südlichen Flussufers hatten seine geringen Französischkenntnisse ein wenig aufgefrischt, und er war ganz gut zurechtgekommen.
»Gut, ich glaube … ich werde wieder an die Arbeit gehen.«
Die junge Frau schickte sich an aufzustehen. Nein, bleibt doch und sprecht noch ein wenig mit mir , flehte er lautlos. Seine Finger schlossen sich krampfhaft um das Heft seines Dolches. Sie bemerkte es und zögerte.
»Ihr müsst jetzt ausruhen. Ich vermute, Ihr werdet noch eine ganze Weile flüssige Nahrung zu Euch nehmen müssen.«
Schließlich erhob sie sich. Alexander machte eine Bewegung, um sie zurückzuhalten, doch ein heftiger Schmerz, der durch seine rechte Flanke schoss, gebot ihm Einhalt. Stöhnend ließ er sich auf sein Lager zurücksinken. Doch seine Mühen wurden belohnt. Besorgt beugte sie sich über ihn. Ihre Hand strich über seine feuchte Stirn und befreite sein Gesicht von den Haarsträhnen, die darin klebten. Sie zog eine unbewusste Grimasse, die Bände sprach. Er musste sich in einem fürchterlichen Zustand befinden.
»Wir müssen Euch dringend waschen… und entlausen«, setzte sie hinzu, zog ein Tierchen aus seinem Haar und zertrat es auf dem Parkett. »Morgen, wenn ich kann … wir werden sehen.«
Ihre Blicke trafen sich. Er vermochte sich nicht von ihr loszureißen, und schließlich war sie es, die zuerst die Augen niederschlug.
»Wusstet Ihr, dass Euer General tot ist?«, versetzte sie aus heiterem Himmel, mehr, um das lastende Schweigen zu durchbrechen, das zwischen ihnen herrschte, als um ihn zu verstören.
Wolfe war tot? Das ließ ihn vollständig kalt. Merkwürdigerweise empfand er beinahe Erleichterung. Wolfe war Hauptmann in einem der Regimenter von König George gewesen, die in der Schlacht von Culloden auf dem Moor von Drummossie gekämpft hatten, einer der Handlanger dieses verfluchten Schlächters Cumberland, des Henkers seines Volkes. Gewiss, er hatte dem General ob seiner Fähigkeit, seine Truppen zu lenken, nach und nach Achtung entgegengebracht. Wolfe, der nur zweiunddreißig Jahre alt geworden war, hatte die Stufen der militärischen Hierarchie mit atemberaubender Geschwindigkeit erklommen, was ihm Eifersucht und Neid eingetragen hatte. Trotz allem hatte Alexander ihn immer gehasst.
Mit einem Mal stiegen unzählige Fragen in ihm auf. Er wollte alles wissen: was aus seinem Bruder Coll und aus Munro geworden war, wie die Kämpfe ausgegangen waren. Nach dem Ort zu urteilen, an dem er sich befand, waren wohl die Engländer im Vorteil, denn er lag in einem Hospital in der Kolonie und nicht in dem Lazarett auf der Île d’Orléans.
»General Montcalm ist ebenfalls tot. Und Eure Truppen belagern Québec noch immer. Ich frage mich wirklich, warum sie darauf bestehen, uns weiter zu bombardieren. Von unserer Stadt sind nur noch rußgeschwärzte Ruinen übrig …«
Ihre grünen Augen sahen auf den Dolch, den er immer noch an seine Brust drückte. Was sollte er ihr darauf sagen? Er konnte ihr nur sein Mitgefühl bekunden. Er wusste, wie sie wahrscheinlich über ihn dachte, und das verdross ihn.
»Tut… mir leid«, flüsterte er.
Wenn sie zu ihm aufgeschaut hätte, dann hätte sie in seinen Augen gesehen, dass es ihm ernst war. Doch das tat sie nicht.
In der Tür erschien eine Gestalt. Isabelle hob den Kopf und erkannte den Offizier, der ihr vorhin zugelächelt hatte. Der Mann betrachtete die beiden mit gleichmütiger Miene. Dann wurden seine Züge weicher, und er lächelte. Er sprach den Verletzten in einer Sprache an, die ihr merkwürdig vorkam. Sie klang ähnlich wie das Englische und doch ganz anders.
»Madame«, wandte sich der Offizier dann in ausgezeichnetem Französisch an sie, »vergebt mir, wenn ich Euer Gespräch unterbreche, aber ich muss allein mit Soldat Macdonald reden.«
Errötend nahm Isabelle die leere Suppenschale auf, die noch auf dem Boden stand.
»Ja, … natürlich. Dann lasse ich Euch allein. Ich war ohnehin fertig, und ich habe noch viel zu tun.«
Sie deutete einen Knicks an und warf einen letzten Blick auf den verletzten Soldaten. Sein Name war Macdonald? Dann gehörte die Uhr also tatsächlich nicht ihm… Er sah sie eindringlich an, und
Weitere Kostenlose Bücher