Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Doch er zögerte, sie wieder zu küssen, und strich ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Isabelle berührte sanft seine Lippen und dann das Grübchen, das sein eigensinniges Kinn zeichnete.
»Und was heißt das?«
»Mein Herz… voller Freude.«
Das Blut schoss in Isabelles zarte Haut, rötete ihren lilienweißen Teint, während ihr Körper sich weiter unter ihm entspannte wie eine Taube, die sich nach und nach der Hand, die sie gefangen hat, ergibt. Ihre langen, goldenen Wimpern flatterten über ihren Pupillen wie ein Schleier vor einer unbekannten, verbotenen Welt. Entschlossen stürzte Alexander sich in dieses smaragdgrün und braun gefleckte Universum.
In einer letzten Aufwallung von Schamhaftigkeit schlug Isabelle die Augenlider nieder, um vor diesem Blick zu fliehen, der in sie eindrang und ihre Seele in Aufruhr versetzte.
»Isabelle…«, flüsterte er, damit sie wieder zu sich kam.
Ihre Lider bebten und hoben sich langsam. Dann sah sie ihn an. Und während sie seufzend einen tiefen Atemzug tat, öffneten sich ihre tiefroten, zitternden Lippen. Ein Zaunkönig hob zwitschernd und flügelschlagend vom Boden ab. Das vom Wind liebkoste Gras bewegte sich leise. Inmitten der Laute einer ganz realen Welt flüsterte sie zu ihm gewandt:
»Küss mich noch einmal, Alexander.«
11
Das Glück der Liebe
Ein eiskalter Wind pfiff unheilverkündend durch die Ritzen des grob gezimmerten Fensters, gegen das der Herbstregen trommelte. Alexander konnte nicht schlafen, daher nahm er das Stück Holz zur Hand, an dem er zu arbeiten begonnen hatte. Die Konturen waren noch ein wenig kantig. Doch wenn er sie erst mit Sand poliert hatte, würden sie ebenso glatt und sanft gewölbt sein wie…
Isabelles Bild trat vor sein inneres Auge, und während er die Formen der Muttergottes-Figur liebkoste, die er in den Händen hielt, vermeinte er die der jungen Bürgerstochter zu spüren. Er schloss die Augen, um wieder das Plätschern des Flusses, das Knarren der Windmühlenflügel und das leise Rascheln ihrer Röcke zu hören… und das hingerissene Seufzen der jungen Frau.
Er streckte den Arm nach seinem Sgian dhu aus und begann ohne etwas zu sehen die Falten an der Tunika seines Figürchens zu bearbeiten. Colls Pritsche knarrte. Am Rhythmus seines Atems erkannte er, dass er ebenfalls nicht schlief.
»Was machst du da?«, fragte Coll flüsternd, wie um seine Vermutung zu bestätigen.
»Nichts Besonderes.«
Sein Bruder hievte sich auf einen Ellbogen hoch und sah in seine Richtung.
»Ich dachte, du wärest fertig?«
»Nein, für mich wird sie nie wirklich vollendet sein. Aber ich muss sie wohl eines Tages bei den Ursulinen abgeben.«
»Sie wird wunderbar werden, Alas.«
»Hmmm… ja, sehr schön.«
»Du kannst doch gar nichts sehen! Schlaf lieber.«
Ein langes Schweigen trat ein, das nur von dem Schnarchen der Männer unterbrochen wurde, mit denen sie das schlecht geheizte Zimmer teilten. Dann ließ Coll sich erneut vernehmen.
»Wo hast du eigentlich heute gesteckt? Nach unserer Schicht bei den Schwestern warst du verschwunden. Wir haben uns Sorgen gemacht. Heute Morgen ist schon wieder ein toter Soldat aufgefunden worden, in dem Graben, der an den Befestigungen entlang verläuft, ein Grenadier mit einem Messer im Leib. Das ist jetzt das vierte Mal in einem Monat und allein das zweite in dieser Woche. Bist du wenigstens vorsichtig?«
»Mach dir keine Sorgen um mich.«
Coll zögerte. Er kannte Alexander gut genug, um sich eine ziemlich zutreffende Vorstellung von seinem Gemütszustand zu machen: Sein Bruder war verliebt.
»Warst du mit dieser Frau zusammen?«, fragte er schließlich.
Das Schaben des Messers auf dem Holz verstummte.
»Mit wem, mit Émilie?«
»Doch nicht Émilie, du Schwachkopf. Der anderen, der schönen Bürgerstochter.«
Ein Brummen bestätigte Coll in seinem Verdacht.
»Bist du dir bewusst, was du da tust? Du wirst dir die Finger verbrennen, Alas, das weißt du ganz genau.«
»Ich bin mir schon klar darüber, was ich tue, Coll. Ich bin schließlich kein grüner Junge mehr.«
»Das weiß ich auch. Aber in der Liebe benehmen sich alle Männer wie Kinder.«
»Wer redet denn hier von Liebe?«
»Ich.«
»Ich bin nicht verliebt. Sie ist freundlich und hübsch und …«
»Du bist dabei, dich in sie zu verlieben, Alas. Mach dir doch nichts vor.«
Alexander stellte sein Werk aufs Fensterbrett und setzte sich aufs Bett. Er seufzte, und seine überanstrengten Augen begannen krampfhaft zu zucken. Er
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