Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
zerspringen.
»Lasst uns in Frieden! Fort mit euch, ihr Bastarde! Gauner! Schänder! Verschwindet! Geht nach Hause!«
Sie sah, wie zwei Männer Toupinets Leiche aufhoben. Jemand riss ihr schließlich Marcelline aus den Armen und zwang sie aufzustehen. Aber ihre Beine wollten ihr nicht gehorchen. Sie sank zu Boden, doch da war jemand, der sie mit festem Griff aufrecht hielt. Da sie einen roten Uniformrock vor sich sah, glaubte sie, der Mann sei zurückgekommen, um sie weiter zu traktieren. Sie schrie auf und versuchte, das Gesicht des Soldaten zu zerkratzen. Doch der Mann wich ihr aus und hielt ihre Handgelenke fest. Als Isabelle spürte, wie sich etwas Hartes in ihren Leib bohrte, glaubte sie, ihr letztes Stündlein sei gekommen, und sie stieß einen langgezogenen Seufzer aus. Der Soldat rückte das Heft seines Schwerts beiseite.
»Dinna be afraid, Isabelle, ’t is me, Alexander …« Keine Angst, Isabelle, ich bin’s, Alexander …
Einen Moment lang hatte sie keine Ahnung, wer zu ihr sprach. Dann verband sie nach und nach ein Gesicht mit dem Namen: Alexander … Alexander? Isabelle klammerte sich an diesen Rettungsanker, vergrub das Gesicht im Rock des Mannes und weinte ihren Schrecken und ihren überwältigenden Kummer heraus. Sie spürte, wie sie hochgehoben und davongetragen wurde. Sollte Alexander sie ruhig bis ans andere Ende der Welt mitnehmen, das war ihr gleich, solange er nur bei ihr blieb. Ruhig stand er jetzt da und drückte sie so fest an seine Brust, dass sie seinen Herzschlag spürte. Er murmelte Worte, deren Bedeutung sie nicht begriff. Doch aus seinem harten Tonfall schloss sie, was er sagte.
Er legte sie auf den feuchten Ufersand und sprach mit sanfter Stimme.
»’tis over… Isabelle. A Thighearna! Mic an diabhail sin! Herrgott, diese Teufel! Sie haben die Männer gefangen. Man wird sie vor Gericht stellen und hängen für das, was sie getan haben. Was sie dir…«
Der Rest seines Satzes blieb unausgesprochen und ging in einem eigenartigen Schluchzer unter. Isabelle wurde schwindlig; sie spürte, dass ihr Mageninhalt ihr in die Kehle stieg, und rappelte sich auf die Knie, um zu erbrechen. In ihrem betäubten Geist stieg erneut das gerade erlebte Entsetzen auf. Ein unbezwingbares Zittern ergriff sie, während die Bilder noch einmal vor ihrem inneren Auge abliefen: Marcellines Schreie; Toupinet, der zusammenbrach …
Die junge Frau nahm eine Handvoll feuchten Sand und rieb sich damit heftig den Mund ab, um jede Spur ihres Vergewaltigers auszulöschen. Die feuchten, rauen Sandkörner zerkratzten ihre zarte Haut, doch der Schmerz tat ihr wohl. Sie nahm noch eine Handvoll Sand und begann ihr Reinigungsritual von neuem. Aber als sie ihre Röcke hochschlagen wollte, um ihre Schenkel auf die gleiche Weise zu säubern, gebot Alexander ihr Einhalt.
»Ich bin schmutzig, ich muss … ich muss …«
»Isabelle! No! «
»Er hat mich…«
»No! ’tis over! «, unterbrach er sie barsch, so aufgewühlt war er.
Alexander wollte es nicht wissen; er wollte es nicht sehen. Er mochte die Geschichte nicht hören. Ein entsetzlicher Druck lastete auf seiner Brust. Gewiss würde Isabelle jetzt nicht mehr zulassen, dass er sich ihr näherte, sie berührte. Sie würde ihren Hass und Groll gegen ihn richten, und diese Vorstellung konnte er nicht ertragen …
Mit verzerrtem Gesicht, wimmernd, kämpfte die junge Frau darum, sich aus seinem festen Griff zu befreien. Sie musste diesen ekelhaften Schmutz herunterscheuern, den Gestank der Vergewaltigung abstreifen. Doch als sie seine Miene sah, hörte sie auf zu protestieren und zu zappeln, so eigenartig und durchdringend sah er sie an. Ein dumpfer Schmerz pochte in ihrer Magengrube. In Alexanders Augen stand eine tiefe Trauer, aber auch etwas anderes … und sie bekam Angst.
»Alex…«, stöhnte sie, den Tränen nahe.
Matt schüttelte er den Kopf und schloss dann die Augen. Der Schmerz zerriss sie schier. Sie packte ihn am Hemdkragen und klammerte sich an ihn.
»Alex!«
Jetzt würde er sie nicht mehr lieben. Er würde keine Frau wollen, die entehrt war. Der abscheuliche Kerl hatte seine Tat nicht ganz zu Ende geführt, doch er hatte sie besudelt.
»Sieh mich doch an, Alex!«
Dann stieg ohne Vorwarnung eine ganz neue Furcht in ihr auf. Und wenn sie es jetzt nicht mehr ertrug, dass ein Mann sie berührte? Wenn nun nicht mehr Tausende von Schmetterlingen in ihr flatterten, wenn sie seine Lippen auf den ihren spürte? Wenn auch sie jetzt unfähig zur
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