Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Liebe war?
Wie um diese plötzliche Angst loszuwerden, presste Isabelle die Lippen auf Alexanders Mund. Zuerst versuchte er sie wegzuschieben. Doch dann, als sie sich mit der Kraft der Verzweiflung an ihn klammerte, entspannte sich sein Körper langsam. Er legte seine Pranken auf ihren Rücken und zog sie eng an sich. Sand mischte sich mit ihrem Speichel, kratzte auf der zarten Haut ihrer Lippen und knirschte zwischen ihren Zähnen. Doch in ihrem unbezähmbaren Drang, sich der bedingungslosen Liebe des anderen zu versichern, war das den beiden vollständig gleich.
»Es … tut mir leid, Alex. So … leid«, schluchzte sie.
»Mir auch, a ghràidh … Mir auch …«
Erschöpft, aber friedlich saßen sie noch lange eng umschlungen am Flussufer und lauschten dem Plätschern der Wellen, die sich an den Felsen brachen. Nicht weit entfernt sah Isabelle sechs Highlander-Soldaten, die dafür sorgten, dass die Neugierigen, die auf den Kais zusammengelaufen waren, Abstand hielten. Erst jetzt spürte die junge Frau die durchdringende Novemberkälte.
Blitzschnell zog Madeleine die Beine weg und stieß einen schrillen Schrei aus. Isabelle, die sich über den gelungenen Streich freute, lachte.
»Du hast ja eiskalte Füße, Isa! Leg sie doch auf den angewärmten Backstein, um Himmels willen!«
»Aber du bist viel wärmer und weicher als der Stein, teure Cousine! Ich bin es so sehr gewöhnt, mein Bett mit dir zu teilen, dass ich im Kloster gar nicht schlafen konnte.«
Der Bettwärmer war längst abgekühlt. Die beiden jungen Frauen schmiegten sich im Bett aneinander. Schweigend hing jede von ihnen ihren Gedanken nach. Draußen heulte der Wind und rüttelte an den Fensterläden. Pulverfeiner Schnee bedeckte die Stadt und legte sich im Mondlicht wie ein leuchtendes Leichentuch über die offen daliegenden Häuserruinen.
»Du hast mir gefehlt, Isa. Ich freue mich so, dass es dir besser geht.«
»Weißt du, mir ist es nicht anders ergangen. Ich schlafe nicht gern allein, besonders nicht seit…«
Madeleine nahm Isabelles Hände und hauchte darauf, um sie zu wärmen. Wenn die beiden atmeten, bildeten sich kleine weiße Wölkchen um ihre roten Nasen. Im Kamin brannte zwar ein ordentliches Feuer, aber der Wind drang durch jede kleinste Ritze ins Haus und ließ die Bewohner bis auf die Knochen frieren. Isabelle erschauerte und zog die Wolldecke über ihrer beider Köpfe, obwohl sie bereits Hauben aus Wolle trugen.
Die junge Frau war glücklich, endlich wieder zu Hause bei ihrer Familie zu sein und in ihrem eigenen Zimmer schlafen zu können. Doch am meisten hatte sie sich darüber gefreut, Madeleine wiederzusehen und festzustellen, dass zwischen ihnen wieder die alte Vertrautheit herrschte. Im Kloster war sie nachts allein in ihrer Zelle erwacht und hatte um sich geschlagen, um sich gegen imaginäre Angreifer zu wehren. Die Einsamkeit tröstete sie nicht, im Gegenteil.
Madeleines Atem zu hören wirkte beruhigend und half ihr, sich zu entspannen. Hoffentlich träumte sie heute Nacht nicht wieder schlecht!
»Wie geht es Marcelline?«
»Unverändert. Sie weigert sich, ihr Zimmer zu verlassen, und will nicht einmal zum Essen herauskommen. Das betrübt mich sehr. Ich habe versucht, mit ihr zu reden, aber ich habe den Eindruck, dass Worte die Mauer, die sie um sich herum errichtet hat, nicht durchdringen. Ich mache mir Sorgen.«
»Du musst sie verstehen, Isa. Das, was sie … was ihr durchgemacht habt …«
»Ich weiß. Aber für sie war es viel schlimmer, das kann ich dir versichern.«
Sie schwiegen.
»Hast du ihn wiedergesehen?«, fragte Madeleine dann.
»Wen, den Mann?«
»Nein … deinen Schotten.«
Die junge Frau seufzte. Sie wusste genau, dass sie irgendwann über dieses Thema sprechen musste. Madeleine hatte erraten, was zwischen ihr und Alexander war, und sie war entsetzt gewesen. Doch zumindest hatte sie nicht versucht, sie davon abzubringen, ihn weiter zu treffen. Dafür war Isabelle ihr zutiefst dankbar.
»Nein. Ist er etwa hier gewesen?«
Mit einem Mal wurde sie unruhig.
»Hier nicht. Aber ich habe ihn gestern im Kloster gesehen. Ich dachte, er hätte dich besucht.«
»Nein, hat er nicht. Hast du mit ihm geredet?«
»Wofür hältst du mich?«
Um ihre scharfe Antwort zu mildern, schlug Madeleine einen sanfteren Ton an.
»Aber er hat mich angesehen. Ich hatte den Eindruck, dass er überlegte, ob er mich ansprechen sollte.«
»Und?«
»Dann ist er gegangen.«
»Und du bist ihm nicht
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