Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
gefallen?«
»Keiner. Da es stockfinster und ich nicht gut bewaffnet war, habe ich es für besser gehalten, in meinem Versteck zu bleiben. Sie waren zu mehreren.«
»Vier.«
»Drei. Auch das habe ich dir schon gesagt.«
Archies helle Augen musterten ihn prüfend. Sein Onkel war ein stiller Beobachter, dem nichts entging; er hegte den Verdacht, dass Alexander ihm nicht die ganze Wahrheit sagte. Dazu kannte er ihn zu gut. Aber Alexander hatte das Wichtigste gemeldet, und der Rest war seine persönliche Angelegenheit. Die Miene seines älteren Verwandten wirkte ein wenig streng, doch ein leises Zucken um Archies Mundwinkel verriet Alexander, dass er ahnte, worum es sich bei dieser »persönlichen Angelegenheit« handelte.
Alexander war lange auf der Straße vor der Herberge auf und ab gegangen und hatte überlegt, was er mit dem Gehörten anfangen sollte. Diese Sache war zu wichtig, um sie zu verschweigen. Auf der anderen Seite hegte er nicht den Wunsch, Isabelles Brüdern absichtlich zu schaden, und der jungen Frau schon gar nicht. Ob er nun redete oder nicht, Verrat beging er auf jeden Fall. Die Frage war ganz einfach, welche Seite er verraten sollte. Und so war er auf diese Geschichte gekommen, die nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt war: Danach hatte er sich im Nebengebäude eines Hauses versteckt gehalten und ein Gespräch zwischen drei Männern mit angehört, von denen er vermutete, dass sie zum feindlichen Lager gehörten, die er aber nicht hatte erkennen können.
Nachdem er seine Meldung gemacht hatte, überließ er es seinem Leutnant, was er damit anfangen würde. Allerdings hatte er, um seine Anwesenheit in einem Nebengebäude in der Stadt zu erklären, gestehen müssen, dass er sich in Gesellschaft einer Dame befunden hatte, deren Namen er nicht nennen wollte. Archie hatte das ein Lächeln entlockt, und seine Augen hatten aufgeleuchtet. Aber der Leutnant war nicht weiter in ihn gedrungen.
»Der Feind befindet sich auf dem Vormarsch … Wenn die französischen Truppen gestern gelandet sind, müssten die siebentausend Mann in … sagen wir, ungefähr vier Tagen vor unseren Mauern auftauchen. Wir müssen dringend unsere Posten in Lorette und Sainte-Foy alarmieren. Aber angesichts der Krankheit, die unsere Truppen dezimiert… Seit September haben wir in unseren Regimentern fast siebenhundert Todesfälle zu beklagen, und die Anzahl der Kranken beläuft sich auf über zweitausend. Das ist katastrophal!«
Nachdenklich tippte Archie mit der Fingerspitze auf seinen Schreibtisch und sah Alexander an.
»Dein Zahnfleisch scheint mir aber gesund zu sein, mein Freund…«
»Ich glaube schon.«
Alexander bleckte die Zähne und brach dann in Gelächter aus, was die Stimmung ein wenig entspannte.
»Ich sehe, dass du gut zu essen bekommst. Die Frauen von Québec behandeln uns Highlander großzügig …«
»Ja, oft ist das so.«
»Die Dame, die du … nach Hause begleitet hast… triffst du sie häufig?«
Alexander war auf der Hut. Er setzte sich auf seinem Stuhl zurecht und entflocht nervös Arme und Beine, was Archie nicht entging.
»Reine Neugierde, Alex. Ich will ihr nichts Böses, und ich habe es nicht für nötig gehalten, diese Person in meinem Bericht zu erwähnen. Ohnehin wäre es sinnlos, sie zu befragen und zu versuchen, die Namen der anwesenden Männer aus ihr herauszubekommen. Eine Kanadierin würde wegen einer Romanze im Mondschein nicht ihre Leute verraten. Damit würden wir nur kostbare Zeit verlieren. Ich vertraue deinem Wort und nehme eventuelle Folgen auf meine Kappe. Doch du solltest nicht vergessen, dass wir im Krieg stehen und die Bewohner dieser Stadt, so zugänglich sie sich auch zeigen mögen, im Grunde ihres Herzens Frankreich die Treue halten. Als Highlander können wir das doch auch gut verstehen, oder? Ich warne dich als Freund. Du hast heute Abend beim Appell gefehlt. Sergeant Ross hat das hervorgehoben, als er seine Meldung gemacht hat. Außerdem war dein Verhalten in den letzten paar Tagen alles andere als beispielhaft: Raufen, Saufen und jetzt die Verletzung der Sperrstunde … Ich werde mich darum kümmern, dass deine Abwesenheit beim Appell vergessen wird… Aber das kann ich nicht immer, verstehst du?«
»Ja, Sir.«
Archie verzog betrübt den Mund. Trotz dieser kleinen Verschwörung des Schweigens, die sie einander nahebrachte, würden die beiden Männer nie wieder dieselben Freunde sein wie früher.
Im Raum herrschte erdrückende Hitze. Man hatte alle
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