Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Musik
Alexander verbarg sich im Schatten und ließ das Haus nicht aus den Augen. Er hatte doch heute Nachmittag das Band am Fenster gesehen! Aber Isabelle war nicht zu ihrem Treffpunkt gekommen. Viele Minuten hatte er gewartet und war dann auf die Straße zurückgekehrt, um festzustellen, ob das Band noch am Fenster ging. Doch es war verschwunden. Verwirrt war er noch einen Moment lang stehen geblieben, hatte das Haus angestarrt und versucht, sich auf einen Grund zu besinnen, der Isabelle daran hindern könnte, zu ihm zu kommen. Ein plötzliches Unwohlsein? Eine dringende Erledigung? Aber dann hätte sie ihren kleinen Bruder mit einer Nachricht in die Taverne geschickt. Doch der Wirt hatte ihm versichert, dass niemand nach ihm gefragt hatte.
Obwohl er sich ein wenig schämte, hatte er in Isabelles Zimmer gespäht. Die junge Frau war zu Hause, er hatte sie genau gesehen. An diesem heißen Tag waren die Fenster weit geöffnet. Sie trug eine bezaubernde Toilette, was ihn neugierig gemacht hatte. Einmal beugte sie sich aus dem Fenster, als suche sie etwas. Er wollte gerade aus dem Schatten treten, um ihr ein Zeichen zu geben, als ein Passant, den er nicht bemerkt hatte, ihn anrempelte. Der Mann hatte ihn von oben herab gemustert. Dann war er, nachdem er seinen langen Gehrock aus gutem Tuch abgeklopft hatte, zum Haus der Lacroix’ weitergegangen und die drei Stufen, die zur Tür führten, hinaufgestiegen.
Alexander hatte gespürt, wie ihm schwer ums Herz wurde. Wer war dieser Mann? Ein Freund der Familie, ein Onkel, ein Cousin? Oder etwa ein Verehrer? Er wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen und hatte daher beschlossen, vor dem Haus zu warten, hinter einem Gitter, an dem ein Weinstock rankte. Von Eifersucht gequält hatte er wieder an diesen des Méloizes denken müssen, dessen Namen einer von Isabelles Brüdern an jenem Gewitterabend gebraucht hatte.
Zum tausendsten Mal sah er auf seine Uhr: zwanzig nach neun. Nicht lange, und der Besucher musste das Haus verlassen. Ab zehn Uhr war Sperrstunde, und jeder, der nach dieser Uhrzeit auf den Straßen unterwegs war, wurde sofort festgenommen. Einige Minuten später öffnete sich endlich die Tür. Der Besucher verneigte sich vor Isabelle und ihrer Mutter. Letztere verschwand, sobald die Förmlichkeiten ausgetauscht waren, und ließ die beiden jungen Leute allein. Isabelle wirkte mit einem Mal sehr nervös und verlegen.
Alexander, der den Blick nicht von der Szene losreißen konnte, musste sich Gewalt antun, um sich nicht auf den Unbekannten zu stürzen, als dieser der Frau, die er liebte, die Hand küsste. Aufgewühlt blieb er hinter seinem grünen Schutzschild stehen und umklammerte die rostigen Eisenstäbe. Der Fremde verbeugte sich und verschwand, eine Laterne in der Hand, auf der dunklen Straße. Wie vor den Kopf geschlagen starrte der junge Mann dem immer kleiner werdenden Licht nach. Isabelle traf sich mit einem anderen…
»Und du bist dir ganz sicher, dass du ihm die Nachricht persönlich gegeben hast, Ti’Paul?«, verlangte Isabelle zu wissen.
»Natürlich, Isa. Glaubst du vielleicht, ich würde dich anlügen?«
»Nein… schon gut, danke.«
Die junge Frau wandte sich ab. Sie wusste nicht mehr, was sie davon halten sollte. Seit drei Tagen kam Alexander nicht mehr zu ihrem Treffpunkt. Beim ersten Mal hatte sie sich keine großen Gedanken gemacht: Gewiss war er aus irgendeinem Grund aufgehalten worden. Am zweiten Abend hatte sie sich Sorgen gemacht. Das sah ihm gar nicht ähnlich. Wenn er nicht hätte kommen können, hätte er sicherlich Coll geschickt, um ihr Bescheid zu geben. Ob er krank war? Oder vielleicht hatte er sich ja beim Exerzieren verletzt? Schlimmer noch, war es möglich, dass er eine Dummheit begangen und im Gefängnis gelandet war?
Drei Mal hatte sie Ti’Paul mit einer Nachricht zu ihm geschickt. Doch nichts geschah, er ließ immer noch nichts von sich hören. Aber ihr kleiner Bruder hatte ihr versichert, er habe den Schotten gestern Abend an den Quais de la Reine in der Unterstadt gesehen. Was in aller Welt ging hier vor sich?
Isabelle nahm ihr Wollcape und stieg in den Salon hinunter. Ihre Mutter war nicht dort. Umso besser, dann würde sie nicht ein weiteres Mal lügen müssen. Sie zog sich an, trat auf die Straße und ging zum Quartier der Soldaten. Für alle Fälle trug sie ein kleines Messer bei sich, das sie rasch erreichen konnte…
In der Taverne herrschte eine gewisse Hektik. Die Fiedel spielte eine fröhliche Melodie,
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