Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Hände über den Leib. Ihr Kind, Alexanders Kind … Nein…
»Ihr nennt Euch eine Christin, Ihr gefallt Euch darin, von Barmherzigkeit zu reden … Das Volk von Québec war dabei, hungers zu sterben, und Ihr, Ihr habt Euren Keller mit Nahrungsmitteln gefüllt, die der Tafel eines Königs würdig gewesen wären! Schöne christliche Nächstenliebe! Und außerdem weise ich Euch darauf hin, dass die Trauerzeit noch nicht vorüber ist. Ich kann nicht heiraten …«
»Es würde mir nicht allzu schwerfallen, bei Vikar Briand einen Dispens zu erwirken.«
»Gott, was habt Ihr bloß dort, wo andere Menschen ein Herz haben? Habt Ihr niemals auch nur ein bisschen Mitgefühl mit jemand anderem empfunden?«
Justines Schultern zuckten ganz leicht, doch Isabelle bemerkte es. Da fielen ihr die Briefe wieder ein, die sie in der alten Truhe gefunden und von denen sie geglaubt hatte, ihr Vater habe sie verfasst. Damit hatte sie die perfekte Waffe, um ihre Mutter zu verletzen und vielleicht ein wenig zugänglicher zu machen. Zugleich war das auch die letzte Karte, die sie ausspielen konnte.
»Aber … vielleicht habt Ihr ja doch einmal geliebt… War er nicht Engländer?«
Justine runzelte die Stirn und schaute mit einem Mal besorgt drein.
»Wovon redest du? Ich habe niemals …«
»Ach nein? Und all die schönen Briefe, die ich oben auf dem Dachboden gefunden habe, woher kommen die? Von wem sollen sie wohl stammen, wenn nicht von Eurem Liebhaber? Papa konnte kein Englisch schreiben. Und doch ist da einer dabei, der an Euch gerichtet und auf Englisch verfasst ist, Mutter.«
Justine erbleichte. Ihre verloren gegangenen Briefe … Wie waren sie in Isabelles Hände geraten?
»Wo hast du diese… Korrespondenz gefunden?«
»In Papas Truhe.«
»Herrgott!«, hauchte Justine erschüttert. Aber Peter hatte ihr doch nie auf Englisch geschrieben…
»Wo befinden diese Briefe sich jetzt?«, fragte sie und brachte es fertig, wieder einen gebieterischen Tonfall anzuschlagen. Sie konnte es sich nicht leisten, in dieser Situation das Gesicht zu verlieren.
»Sie sind noch dort; bis auf den einen, der auf Englisch geschrieben ist.«
Mit einer gewissen Befriedigung musterte Isabelle das bleiche Gesicht ihrer Mutter. Sie war sich sicher, dass sie einen Weg gefunden hatte, ihre Mutter zum Einlenken zu bewegen.
»Diese Briefe sind mein Eigentum, Isabelle. Ich befehle dir, sie mir zurückzugeben.«
»Dann habt Ihr also einen Liebhaber gehabt? Und Papa hat es gewusst…«
Zutiefst getroffen bedachte Justine ihre Tochter mit einem zornigen Blick.
»Ich habe deinen Vater niemals hintergangen, junge Dame. Diese Briefe stammen aus der Zeit vor unserer Ehe. Er… er hat sie wahrscheinlich genommen …«
»Den letzten nicht.«
Isabelle fuhr mit einer abrupten Handbewegung durch die Luft und reckte die Brust. Als Justine ihrer Tochter in die Augen sah, musste sie sich Mühe geben, die Fassung zu wahren.
»Auf jeden Fall hat das nichts mit dir zu tun. Ich bin deine Mutter und bis zu deinem fünfundzwanzigsten Geburtstag dein Vormund. Dir bleibt nichts anderes übrig, als dich meinen Entscheidungen bezüglich deiner Person zu beugen. Ganz gleich, was du sagst oder tust, ich werde meine Meinung nicht ändern!«
Justines eisige Worte ließen Isabelle vor Entsetzen erstarren.
»Dann bringe ich mich um, habt Ihr verstanden? Ich bringe mich um!«
»Durch diese Tat, meine liebe Tochter, würdest du dich in den Augen Gottes einer noch verdammungswürdigeren Sünde schuldig machen. Außerdem trägst du ein Kind. Das wäre also Mord. Nur Gott hat das Recht, ein Leben zurückzunehmen, das er gegeben hat.«
»Er hat mir das Kind geschenkt, das ich trage, und Ihr wollt es mir entreißen! Mit welchem Recht? Ich hasse Euch!«
Isabelle weinte bittere Tränen. Doch ihre Mutter hatten Isabelles letzte Worte stärker verletzt, als diese wahrscheinlich vermutet hätte. Justine biss die Zähne zusammen und wahrte angesichts der hasserfüllten Miene ihrer Tochter Haltung. Sie würde schon noch verstehen… später, genau wie sie sich eines Tages hatte fügen müssen.
»Ich habe nicht die Absicht, dir dein… Kind wegzunehmen. Du allein entscheidest über sein Schicksal. Der Heiratsvertrag mit Monsieur Larue liegt zur Unterschrift bereit. Wenn du möchtest, kann ich seinen heutigen Besuch auf morgen Abend verschieben, damit du darüber nachdenken kannst. Aber länger nicht, die Zeit drängt«, setzte sie hinzu und warf einen Blick auf ihren Bauch, der
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