Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
hatten, und klammerte sich an den Stützbalken. Mühsam hievte er sich auf die Leiter hoch, an der er sich mit aller Kraft festhielt, um nicht in die scheußliche Brühe oder auf die Seekranken geschleudert zu werden. Als er die Persenning zurückschlug, empfing ihn ein eiskalter Schwall Meerwasser. Er fluchte, sprach ein rasches Gebet und erstieg die letzten Sprossen.
Der schäumende, entfesselte Atlantik donnerte heftig auf das Oberdeck des Schiffs, dessen Mastwerk gefährlich schwankte. Die Wucht des Wassers klatschte dem Schiffszimmerermeister ins Gesicht, der sich mit einem Tau, das fest um seine Taille geknotet war, an der Reling festgebunden hatte und mit einer Sturmlampe den Zustand der Verbindungen und Fugen der Planken überprüfte. Im Moment hielten sie. Der Sturm tobte jetzt seit zwei Stunden. In seinem Brüllen ließen sich ab und zu die Psalmengesänge der Handvoll Presbyterianer und der wenigen Katholiken an Bord vernehmen. Die feierliche Stimme des Vorbeters erhob sich über das Tosen.
»Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken, wenngleich das Meer wütete und wallte und von seinem Ungestüm die Berge einfielen.« 19
Bis auf die Knochen durchtränkt, hielt Alexander sich an der vorderen Ankerwinde fest und beobachtete die Matrosen, die im Tauwerk umherkletterten, in einer Art disziplinierter Unordnung von einer Seilsprosse zur nächsten sprangen und mit verblüffender Gelassenheit den Schlägen standhielten, die der Sturm ihnen versetzte und die drohten, sie über Bord zu reißen, wo sie in den Fluten versinken würden. Zwei Offiziere rannten schimpfend und stolpernd an ihm vorbei und verschwanden in den Latrinen am Bugspriet. Er musste lächeln. So hoch man auch stehen mochte, man war niemals mehr als ein Mensch.
»Macdonald!«, brüllte jemand über den Höllenradau hinweg.
Alexander fuhr hoch, glitt beinahe aus und fand sich Auge in Auge mit einem ihm unbekannten Leutnant wieder, der ihn aus hevorquellenden Froschaugen anstarrte. Seine Perücke tropfte.
»Was habt Ihr hier zu suchen, Soldat Macdonald? Geht sofort hinunter, und meldet Euch bei Sergeant Watson. Er wird mir …«
»Sergeant Watson?«
Der einzige Sergeant, dem er Rechenschaft schuldig war, hieß Roderick Campbell. Und dann ging ihm auf, was das bedeuten könnte … Der Schlag traf ihn mitten ins Gesicht. Noch unter Schock erstarrte er einen Moment lang und sah auf das Stöckchen des Offiziers hinunter.
»Was für eine Impertinenz! Auf einen Befehl von einem Vorgesetzten gibt es keine Widerworte, und man sieht einem Offizier, den einen anspricht, nicht in die Augen! Für diese Beleidigung lasse ich Euch auspeitschen, Ihr…«
»Was geht hier vor, Leutnant Fraser?«
Rot vor Zorn fuhr der Mann herum und maß seinen Offizierskameraden mit einem durchdringenden Blick. Eine Woge rollte über das Deck, strudelte um ihre Fußknöchel und versuchte sie im Zurückweichen mitzureißen. Rasch hielt Alexander sich an der Winde fest.
»Leutnant Campbell«, zischte der erste Offizier und konnte kaum seine Verachtung für sein Gegenüber verbergen, »ich würde Euch bitten, Euch nicht in Angelegenheiten einzumischen, die Euch nichts angehen. Dieser Mann steht unter meinem Befehl, und …«
»Unter Eurem Befehl?«, fiel Archibald Campbell trocken ein und runzelte die Stirn. »Dieser Soldat gehört meiner Kompanie an, die, fürchte ich, keinesfalls unter Eurem Befehl steht.«
Dann wandte er sich an Alexander.
»Soldat, nennt uns Euren Namen und den Eurer Kompanie!«
»Soldat Alexander Macdonald aus der Kompanie von Hauptmann Donald Macdonald, Sir.«
»Er lügt!«, rief Leutnant Fraser empört. »Dieser Mann ist…«
»Fraser, ich würde Euch bitten zu überprüfen, ob der Mann, von dem Ihr glaubt, dass er vor Euch steht, sich vielleicht genau dort befindet, wo er hingehört, und meinen Soldaten mir zu überlassen.«
»Wie bitte?«
»Macdonald, Ihr geht wieder nach unten und wartet auf mich«, fuhr Archibald fort und gab nichts auf die Proteste des anderen.
»Ja, Sir«, stotterte Alexander. Er spürte einen Kloß in der Magengrube.
Alexander lag ausgestreckt in seiner Hängematte. Mehr als eine Stunde hatte er jetzt dem Gebrüll eines armen Matrosen gelauscht, der unter eine Kanone, die sich auf dem schlingernden Deck losgerissen hatte, geraten war. Schließlich
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