Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
nicht… mit ihr zusammen.«
Er drehte sich um seine Achse, geriet aus dem Gleichgewicht und hielt sich am Türgriff fest. Die Tür flog auf, und er schlug der Länge nach hin, sodass sich seine Füße im Trockenen und sein Kopf im Regen befanden. Wütend beugte sich Isabelle über ihn, um ihn zu schütteln.
»Oh nein! Wenn du glaubst, du kannst da liegenbleiben, während der Regen mein Haus überschwemmt, dann irrst du dich!«
»An taigh agam … an taigh agam …« Mein Haus… mein Haus …
»Los, aufstehen! Was für ein armseliges Beispiel du deinem Sohn gibst! Sein Vater, ein Trunkenbold …!«
Deinem Sohn … Sein Vater, ein Trunkenbold … Die Worte drangen in Alexanders umnebeltes Hirn und trafen ihn wie ein Schlag. Der Donner grollte. Er wälzte sich auf die Seite. Der Regen rann über sein Gesicht und lief ihm in den Mund. Er leckte sich die Lippen und schluckte.
»Dh’òlainn deoch … a làimh mo rùin …«, summte er leise. Ich werde aus der Hand meiner Liebsten trinken… Er lachte auf und begann dann zu stöhnen. »Ich wollte das nicht… Ich habe das nicht gewollt, aber es musste sein. Er muss verstehen… dass Ungehorsam … Folgen hat … Es musste sein, obwohl ich das nicht gewollt habe. Isabelle … verzeih mir.«
Er schlug die Hände vors Gesicht. »Mama, was hat denn Monsieur Alexande’? E’ sieht nicht gut aus, und e’ sp’icht komisch. E’ wi’d ste’ben, e’ wi’d ste’ben! Ich we’de b’av sein, ich ve’sp’eche es! Nie wiede’ will ich ungeho’sam sein. Ich will nicht, dass e’ meinetwegen sti’bt.«
»Bluidy rainy day …« Verfluchter Regentag …
Alexander wiegte den Kopf hin und her und rollte mit den Augen. Isabelle presste vorwurfsvoll die Lippen zusammen und weigerte sich, Mitleid aufkommen zu lassen. Schließlich hatte er Gabriel geschlagen! Das konnte sie nicht hinnehmen! Sie beugte sich über ihn und nahm sich vor, ihm ordentlich die Leviten zu lesen, sobald er wieder nüchtern war. Dann fasste sie nach seinen schlammüberzogenen Knöcheln und richtete sich auf. Sie wandte den Kopf zu ihrem Sohn und setzte eine beruhigende Miene auf.
»Monsieur Alexander wird nicht sterben, mein Schatz. Er ist nur… ein wenig müde, weil er einen langen Tag hatte.«
Sie zog an Alexanders Beinen und drehte sich dann zu dem Dienstmädchen um, das unter seiner Decke immer noch wie Espenlaub zitterte.
»Hilf mir, ihn hereinzuholen, Marie«, befahl sie in gebieterischem Ton, »und hör auf zu jammern, ja?«
Gabriel setzte sich auf eine Bank und betrachtete Alexander besorgt. Mit Maries Hilfe gelang es Isabelle nicht ohne Mühe, den Schotten ins Trockene zu ziehen und die Tür zu schließen, ehe der ganze Fußboden unter Wasser stand. Was sollte sie jetzt mit ihm anfangen? Ganz offensichtlich würden sie die Nacht unter demselben Dach verbringen … Marie warf ihrer Herrin, die dabei war, den fantasierenden Mann auf dem Boden auszuziehen, einen fragenden Blick zu.
»Gut. Geh wieder schlafen, Marie. Den Rest schaffe ich schon allein… Würde es dich stören, in deinem Bett ein Plätzchen für Gabriel freizumachen? Ich habe hier noch eine Weile zu tun, und er möchte bestimmt nicht allein einschlafen.«
»Ganz und gar nicht, Madame!«, rief die junge Frau, überglücklich darüber, Gesellschaft zu haben.
Nachdem sie ihren Sohn zu Bett gebracht und ihm einen Gute-Nacht-Kuss gegeben hatte, kehrte Isabelle mit einer Decke in die Küchenecke zurück. Sie kniete nieder und betrachtete Alexander, der jetzt schnarchte. Im Schlaf wirkten die Züge des Schotten entspannt. Sie versuchte sich vorzustellen, wie er als Kind ausgesehen hatte, und erkannte Gabriels Gesicht. War er ebenso neugierig gewesen wie er? So erfinderisch und mit einer lebhaften Intelligenz begabt, die ihn dazu trieb, sich über alle Regeln hinwegzusetzen? Welche glücklichen oder unglücklichen Augenblicke hatten seinen Charakter geformt?
Wer bist du, Alasdair Macdonald? Mein ehemaliger Liebhaber? Der Vater meines Sohnes? Welche inneren Qualen treiben dich um?
Mit einer zärtlichen Berührung schob sie eine tropfnasse Haarsträhne beiseite, um sein Gesicht freizumachen. In seinem halb geöffneten Mund sah sie ein gesundes und offenbar vollständiges Gebiss. Das erinnerte sie daran, dass Pierre, der sehr auf sein Aussehen bedacht gewesen war, zwei verlorene Schneidezähne durch falsche Zähne aus Elfenbein ersetzt hatte, die er mit Goldfäden an den benachbarten Zähnen befestigte.
Sie
Weitere Kostenlose Bücher