Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
so wehgetan, dass der Zorn in ihm aufgestiegen war, und er hatte viel heftiger, als er das vorgehabt hatte, mit dem Ledergürtel auf das nackte Hinterteil seines Sohns eingeschlagen, der vor Schmerz schrie und zappelte.
»Ich bin dein richtiger Vater, Gabriel. Ob es dir nun gefällt oder nicht, du bist zur Hälfte Schotte.«
»Du lügst doch. Papa war mein ’ichtige’ Vate’, und du hast kein ’ echt …«
»Mo chreach! Ich habe jedes Recht! Du bist mein Sohn von meinem Blut, und ich werde dich bestrafen, damit du dich daran erinnerst. Glaub nur nicht, dass mir das Freude bereitet …«
»Plonk!« machte die Axt von neuem. Wieder sah Alexander die von Hass verzerrten Züge seines Sohns, der sich hinter eine Holzkiste geflüchtet hatte. Alexander schrie auf und warf die Axt weg. Plötzlich rührte sich sein Gewissen.
»Bist du eigentlich verrückt geworden?«
Das war Isabelle, und sie war zornig.
»Mit welchem Recht hast du Gabriel geschlagen? Er ist noch nie auf diese Art bestraft worden, und ich werde heute nicht damit anfangen, das zu erlauben!«
»Dieses Kind ist bis auf die Knochen verzogen. Er war ungehorsam und musste bestraft werden.«
»Wirfst du mir das etwa vor? Ich habe getan, was ich konnte! Aber ich weise dich darauf hin, dass er genauso sturköpfig ist wie … du. Es ist nicht einfach, ein Kind allein großzuziehen.«
»Und der Mann, den er seinen richtigen Vater nennt? Dein Mann? Wo war der?«
»Pierre hat sich nicht direkt in Gabriels Erziehung eingemischt. Er hat dafür gesorgt, dass er zu essen und zum Anziehen hatte und sich vergewissert, dass es ihm an nichts fehlte. Der Rest war meine Aufgabe. Glaubst du, dass man für Geld alles kaufen kann, Alex? Meinst du, ich habe es mir gut gehen lassen? Du weißt ja gar nichts über uns, über mich.«
»Ich weiß nichts, weil ich nicht wollte …«
»Allerdings, du wolltest es nicht wissen! Und außerdem, warum hast du Gabriel nicht einfach durch ein Verbot gestraft, statt wie ein Barbar auf ihn loszugehen? Er wird für immer gezeichnet davon sein!«
»Es gibt Dinge, die einen schlimmer zeichnen als ein einfacher Schlag mit einem Gürtel.«
»Oh ja, natürlich! Die Peitsche und …«
Mit einem Mal biss sich Isabelle auf die Zunge und sah Alexander an, dessen Nasenflügel vor unterdrücktem Zorn bebten.
»Es tut mir leid. Das sollte keine Anspielung auf …«
»Ich meinte keine körperlichen Züchtigungen, Isabelle … sondern andere Dinge, von denen du nicht den geringsten Begriff hast!«
Er trat nach einem Stück Holz und wandte sich zum Gehen.
»Alex!«, stammelte sie. »Ich weiß … ich kenne deine ganze Geschichte nicht. Wenn du dir nur die Mühe machen würdest, sie mir zu erzählen …«
»Ich gehe auf die Jagd!«
»Genau! Lauf doch weg! Verkriech dich in den Wäldern. Wie soll ich denn die ›Dinge, von denen ich keinen Begriff habe‹, verstehen, wenn du mir nichts erklärst und ständig davonläufst?«
Doch Alexander war schon weit fort. Ihre letzten Worte gingen im Heulen des Windes unter, der ihr die Röcke um die Beine wirbelte. Isabelle stand reglos da. Sie zögerte, ihm nachzulaufen. Dann rief Marie nach ihr, und sie ging ins Haus, um zusammen mit ihr das Abendessen zuzubereiten.
Das Gewitter brach mitten in der Nacht mit einer solchen Wucht los, dass Isabelle, die sich für gewöhnlich nicht vor den Wetterunbilden fürchtete, unter ihren Laken zitterte. Gabriel hatte sich an sie geschmiegt und schlief erstaunlicherweise tief und fest. Marie dagegen ächzte ohne Unterlass.
Isabelle machte sich Sorgen um Mikwanikwe. Nachdem Munro sich, als der Unfall geschehen war, auf die Suche nach den Kindern gemacht hatte, war die Indianerin trotz Maries Bitten in die Wälder gelaufen. Munro hatte erklärt, dass die Eingeborenenfrauen, sobald die ersten Wehen einsetzten, traditionell Zuflucht in einem Unterschlupf suchten, den sie speziell zu diesem Zweck einrichteten. Dort brachten sie allein und ohne einen einzigen Schrei auszustoßen ihr Kind zur Welt. Ohne einen einzigen Schrei … das würde ich gern sehen, um es glauben zu können! , dachte Isabelle, die sich an ihre entsetzlichen Qualen bei der Geburt Gabriels erinnerte.
Bei Einbruch der Nacht war die Indianerin immer noch nicht zurückgekehrt, und Alexander ebenfalls nicht. »Dinna worry «, hatte Munro sie zwischen zwei Schlucken Branntwein beruhigt, »nicht sorgen, sie bald zurückkommen.« Aber der arme Mann, der seiner Frau versprochen hatte,
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