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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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wollte Alexander zudecken, doch dann hielt sie inne, um seinen Körper anzusehen. Mit dem Finger fuhr sie sanft die Konturen des Wolfskopfes nach, der seine Schulter schmückte und ihn wie einen Eingeborenen aussehen ließ. Dann betrachtete sie seine Schenkel, die sich unter dem abgetragenen Stoff seiner Kniehosen wölbten, und ließ den Blick an seinen Beinen hinabgleiten. Seine nackten, schlammbespritzten Waden faszinierten und beunruhigten sie. Die Tätowierungen ähnelten denen an seinen Oberarmen und stellten seltsame geometrische Motive dar; Streifen, die sich um etwas schlangen, in dem sie eine Schildkröte zu erkennen glaubte. Sie wusste, dass die Voyageurs, die die Kanus ruderten, sich für gewöhnlich die Haut mit solchen Ornamenten schmückten. Étienne und mehrere Händler, die sie damals in Pierres Kanzlei gesehen hatte, trugen stolz ihre Tätowierungen zur Schau. Ihr Mann hatte behauptet, manche schmückten auf diese Weise sogar ihre intimen Körperteile.
    Doch was sie am meisten störte, waren nicht diese Muster, sondern die entsetzlichen Narben, mit denen die Beine des Schotten übersät waren. Sie waren glatt, rosig und unbehaart. Im Hospital hatte sie einst zahlreiche Brandwunden gesehen, aber sie hatte nie gewagt, Alexander zu fragen, unter welchen Umständen er sich diese Verletzungen zugezogen hatte. Es gibt Dinge, die einen schlimmer zeichnen als ein einfacher Schlag mit einem Gürtel … Ich meinte keine körperlichen Züchtigungen, Isabelle … sondern andere Dinge, von denen du nicht den geringsten Begriff hast! Seine Worte hallten in ihrem Kopf wider, und sie erriet, dass sich unter jeder seiner Narben eine noch tiefere Wunde verbarg, die sich niemals vollständig schließen würde.
    »Was hast du nur gemeint, Alex? Ich kann es nicht erraten. Du musst es mir sagen…«, flüsterte sie, während sie die Decke über ihn breitete.
    Es zerriss ihr das Herz, die entsetzlichen Spuren auf seinem Körper zu sehen. Warum hatte sie sich in diesen Mann verliebt? Merkwürdig, sie hatte noch nie über diese Frage nachgedacht. Seit sie ihn als Soldaten kennengelernt hatte, war der Schotte immer undurchschaubar und distanziert gewesen. Doch jedes Mal, wenn sie sich geliebt hatten, hatte er sich so hingegeben, dass sie das Gefühl gehabt hatte, sein Herz in der Hand zu halten. Alles in allem hatte sie, obwohl sie sich etwas anderes glauben machen wollte, nie bedauert, sich ihm hingegeben zu haben. Doch sie war tief betrübt darüber, ihn nicht besser zu kennen. Wo sie wohl heute stünden, wenn ihre Mutter sie nicht gezwungen hätte, Pierre Larue zu heiraten? Würden sie einander noch lieben? Hatte Gott sie getrennt, um sie unter besseren Vorzeichen wieder zusammenzuführen? Hatten diese verzweifelten Tage und durchweinten Nächte doch einen Sinn gehabt? Was für Fragen!
    »Was bleibt von uns, Alex? Und was soll aus uns werden?« Ein weiterer Blitz erhellte das Innere der Hütte. Dann versank alles wieder in Finsternis. Alexander schnarchte immer noch. Isabelle blies die Kerze aus und schloss seufzend die müden Augen.
    »Gute Nacht, Alasdair.«

14
Erntedank
    Im Traum hörte Isabelle fröhliches Gezwitscher. Ein Vogel flog über sie hinweg und zeichnete mit den Flügelspitzen einen Regenbogen an den Himmel. Dann ließ sich ein Kinderlachen vernehmen, und Gabriel tauchte aus den bunten Lichtfluten auf. Ein Hund begann zu bellen, und sein Kläffen übertönte bald das zarte Vogelgezwitscher und das Lachen des kleinen Jungen. Mühsam öffnete Isabelle die Augen und starrte einen Moment lang an die Deckenbalken. Merkwürdigerweise waren der Vogel und Gabriel verstummt, aber der Hund kläffte weiter.
    »Bring diesen Hund zum Schweigen, Gaby!«, brummte sie.
    Drückende Hitze setzte ihr zu, und das Hemd klebte an ihrer feuchten Haut. Sie wandte den Kopf zur Seite und sah zu Maries Bett. Leer.
    »Gaby?« Als sie den Kopf auf die andere Seite drehte, fand sie sich mit der Nase in einem Haargestrüpp wieder. Sie schlug die Hand vor den Mund, um einen Schrei zu ersticken: Alexander schlief in ihrem Bett!
    »Aber was …?«
    Nach ein paar Sekunden fielen ihr die Ereignisse des gestrigen Abends wieder ein. Hatten sie…? Heiliger Himmel! Nein, Gott sei Dank nicht! Alexander war wohl ganz einfach im Schlaf zu ihr gekrochen. Aber was für ein Leichtsinn! Was hätte Gabriel gedacht, wenn er aufgewacht wäre und einen Mann im Bett seiner Mutter gesehen hätte? Und Marie? Hatte sie geglaubt … ?
    »Mama«, flüsterte

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