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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Geschirrtuch genommen, um ihn hochzuheben, so wie ich es immer mache. Das Tuch muss die Glut berührt haben, denn es begann zu brennen. Gabriel ist in Panik geraten und hat es quer durch den Raum geworfen. Es ist in einer offenen Reisetruhe gelandet, in die ich Kleidung gelegt hatte. Das Feuer hat sich sofort ausgebreitet. Aber Gabriel, der spürte, dass mit seinem Onkel Étienne etwas nicht stimmte, hat sich nicht getraut, um Hilfe zu rufen. Er hat seine Schwester in ein Laken gewickelt und ist durch ein Loch im Boden gekrochen. Erinnerst du dich an den losen Stein im Fundament? Ich hatte dich ständig gebeten, ihn auszubessern, damit uns nicht eines Tages Stinktiere überfallen würden. Nun ja, dieses eine Mal bin ich dankbar dafür, dass du nicht auf mich gehört hast. Gabriel kannte die Stelle und wusste, dass unter dem Haus ein niedriger Gang nach draußen führte. Er hat ihn manchmal benutzt, wenn er mit Otemin Verstecken spielte. Für einen Erwachsenen ist der Schacht zu eng … aber nicht für einen kleinen Jungen von sechs Jahren. Sobald er im Freien war, ist dein Sohn gleich zu Munro gelaufen, um zusammen mit seiner Schwester bei ihm Zuflucht zu suchen.«
    Isabelle holte tief Luft und schloss die brennenden Augen.
    »Wir gehen fort, Alex. Munro und die MacInnis-Brüder begleiten uns bis nach Montréal, wo wir den Winter verbringen werden, so wie wir es vorhatten. Im Frühjahr werde ich die Stadt verlassen und nach Beaumont ziehen. Ich glaube, das wird uns allen guttun. Ich habe Munro vorgeschlagen, mit uns zu kommen … Er denkt noch darüber nach. Ich werde deinen Vater und Coll besuchen. Ich bin sehr traurig, dass du sie nicht mehr wiedergesehen hast … Das Leben ist so grausam! Nie fragt es uns nach unserer Meinung! Es geschieht einfach. Aber du hast immer gesagt, alles geschieht aus einem bestimmten Grund … Ach, Alex!«
    Sie schniefte und nahm ihre Kraft zusammen. Als sie eine Hand an ihr Herz führte, streifte sie ihr Taufkreuz, und Erinnerungen stiegen in ihr auf. Sie löste das Band, küsste das Schmuckstück und drückte es in den weichen Boden.
    »Auf diese Weise hast du etwas von mir. Möge Gott dich beschützen, Alex! Du wirst immer ein Teil von mir sein!«
    Noch ein paar Sekunden verharrte sie schweigend. Dann stand sie auf, ohne einen Blick auf das andere Grab am Waldrand zu werfen, wo sie einen der Indianer bestattet hatten, und ging zu den beiden Menschen, die ihr von ihrer Liebe noch geblieben waren, Gabriel und Élisabeth.



1768–1769
     
     
    Die Rast des Kriegers
     
    Wenn man die Ruhe nicht in sich selbst findet, ist es sinnlos, andernorts danach zu suchen. La Rochefoucauld
     
    Die Kraft der Seele ist der Schönheit der Tränen vorzuziehen Euripides

19
Rückkehr zu den Wurzeln
    Isabelle ließ den Blick durch ihre Umgebung schweifen und lauschte Gabriel, der im Nebenzimmer sein Alphabet aufsagte. Der Raum diente inzwischen nicht nur als Zeichenatelier, sondern auch als Studierzimmer. Obwohl Monsieur Labontés Terminbuch voll war, hatte er sich freundlicherweise bereitgefunden, den Knaben über den Winter als Schüler anzunehmen und ihn die Grundlagen des Lesens und Schreibens zu lehren. Aber Isabelle verzweifelte beinahe und konnte kaum noch glauben, dass ihr Sohn bis zum Frühjahr in der Lage sein würde, seinen Namen zu schreiben. Ständig stolperte er über die Buchstaben m und n , die er verwechselte, und vergaß fast immer den Buchstaben y . Er war dermaßen zerstreut!
    Sie zupfte an ihrem Umschlagtuch und versuchte, sich erneut ihrer Lektüre zu widmen. Die Buchstaben zogen in dem grauen Licht des Februarvormittags an ihr vorüber. Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Unablässig musste sie zurückblättern, um den Sinn zu erfassen. Nach einer Weile schlug sie das Buch mit einem dumpfen Knall zu.
    »Ach, mein teurer Rousseau!«, murmelte sie. »Bedaure, aber ich bin heute keine gute Gesellschaft. Ihr seid selbst einsam und unverstanden gewesen und habt darunter gelitten. Da habt Ihr sicher Verständnis für meinen Gemütszustand und vergebt mir.«
    Sie legte die Nouvelle Héloïse auf die Truhe, die immer noch das Tafelsilber barg. Bis jetzt hatte sie es noch nicht für nötig befunden, es auszupacken. Wozu auch? Ihre Umgebung drückte sie ohnehin schon genug nieder… Sie tat ein paar Schritte durch den Salon und rieb sich die Arme. Das Klappern ihrer Absätze hallte von dem eiskalten Parkett wider. Der Winter war hart. Sie hatten nicht genug Brennholz und mussten

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