Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
Montréal zurückgekommen und gleich wieder nach Québec aufgebrochen, von wo er erst am Morgen ihres Hochzeitstags zurückkehren würde. Er unterstützte den Notar Saillant bei einer schwierigen Angelegenheit, bei der es um die Berechnung der Abgaben für die wahlberechtigten Bürger der Domäne Beaumont ging. Außerdem musste noch die Erbfolge von Sieur Charles-Marie Couillard geregelt werden, des vor sechzehn Jahren verstorbenen Besitzers von Beaumont, die immer noch nicht geklärt war. Isabelle freute sich darüber, dass Madeleine heute kommen würde, um ihr das Hochzeitskleid zu bringen. Die Anwesenheit ihrer Cousine würde ihr ein großer Trost sein. Sie musste zugeben, dass Madame Fortin, die Schneiderin, großartige Arbeit geleistet hatte. Doch die zahlreichen Anproben hatten ihr kein Vergnügen bereitet, im Gegenteil. Sie ließ den Blick über den Horizont schweifen, der im feuchten Dunst verschwamm. Auf dem Fluss tanzten helle Lichtflecken.
»Zwei Tage noch …«
Isabelle seufzte niedergeschlagen, sprang vom Wagen und ging am Bachufer auf und ab. Hier rauschte das Wasser einhundertfünfzig Fuß tief hinab, stürzte auf die Felsen und trieb das Schaufelrad der Mühle von Péan an. Dieses an den felsigen Flussufern errichtete Gebäude hatte zu dem Netz der im Volksmund »Friponne« 55 genannten Lagerstätten der Clique um Intendant Bigot gehört, zu der auch Seigneur Michel Jean Hugues Péan gezählt hatte. Inzwischen lebte der Sieur de Livaudière, der die Mühle dem Sieur Couillard, einem ruinierten Mann, abgekauft hatte, mit seinem in der Kolonie auf skandalöse Weise angehäuften Vermögen in Frankreich und hatte die Nutzung an seinen ehemaligen Partner Joseph Brassard Deschenaux übertragen.
Im Schatten der Bäume war es nur wenig kühler. Isabelle zog ein Taschentuch hervor und benetzte es im Wasser, um sich den Nacken abzutupfen. Eine sanfte, vom Meer herkommende Brise strich über ihre feuchte Haut. Sie schloss die Augen, um den leichten Schauer auszukosten. Dann fand sie, dass sie lange genug gewartet hatte, und beschloss, selbst den steilen Pfad zur Mühle einzuschlagen. Doch da erschienen endlich drei Männer, die mit schweren Mehlsäcken beladen waren. Sie erkannte Patry, den Müller, der von Munro und einem weiteren kräftigen jungen Mann begleitet wurde.
»Das wurde aber auch Zeit!«
»Vergebung, Madame Larue! Ich musste dringend meinen Helfer nach Hause bringen. Der Arme hat sich schon wieder den Rücken verrenkt! Das hat mich bei der Arbeit aufgehalten. Das Korn mahlt sich eben nicht von allein! Aber jetzt ist Eure Bestellung fertig!«
Die Kinder liefen den Männern nach; eine fröhliche, lärmende Bande, die sich zwischen ihnen hindurchdrängte und lachend auf den Karren kletterte, der jetzt unter großem Ächzen und Stöhnen beladen wurde.
»Danke«, stammelte Isabelle, die sich schämte, weil sie derart aufgebraust war.
Seit einiger Zeit brachte sie alles gleich aus der Ruhe. Sie war gereizt, und ihre Stimmungen wechselten ständig. Bestimmt würde alles in Ordnung kommen, sobald die Trauung vorüber war. Zumindest hoffte sie das.
Nachdem sie die üblichen Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht hatten, kletterte sie mit Munros Hilfe auf den Wagen. Dann nahm der Schotte ebenfalls Platz. Er stimmte ein selbst erdachtes Lied an und ließ die Peitsche auf Bellottes schimmernde Kruppe knallen. Die Fröhlichkeit der Kinder war ansteckend, und Isabelle schaffte es, sich ein Lächeln abzuringen. Sie sollte sich wirklich an dem freuen, was sie hatte, statt dem nachzutrauern, was ihr fehlte.
Mit einem beunruhigenden Knarren ruckte der hölzerne Karren an und schlug den holprigen Weg nach Petit Bonheur ein. Das Haus erhob sich hinter einer Einfriedung aus soliden Ahornbäumen, die von den Vorbesitzern liebevoll gepflegt worden war. Das Holzgebäude war 1765 an derselben Stelle am Fluss errichtet worden, an der zuvor das alte, 1759 von den englischen Soldaten angezündete Haus gestanden hatte. Das spitze Zeltdach war mit Schindeln aus Zedernholz gedeckt.
Die Eingangstür lag in der Mitte der Südfassade und wurde von vier Fenstern eingerahmt. Über den vier Dachluken erhob sich nur ein einziger Kamin. Isabelle hatte vor, an der nach Westen liegenden Wand einen weiteren errichten zu lassen. Aber das musste bis zum kommenden Sommer warten. Der Brunnen, den sie kürzlich im Keller hatten graben lassen, und das Verputzen der Innenwände hatten ihre Ersparnisse schon genug geschmälert. Die
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