Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
verliebt in Nicolas des Méloizes und träumte von einer prachtvollen Hochzeit. Ich habe mir ein großes Fest vorgestellt… und ich würde die Ballkönigin sein.«
»Ja, ich kann mich sehr gut an deinen schönen Hauptmann erinnern«, antwortete Madeleine und ignorierte in voller Absicht Isabelles Bemerkungen über die Hochzeit. »Weißt du, wie viele andere Mädchen dich beneidet haben, Isa? Ein so gut aussehender und bedeutender Mann war verliebt in dich … Du hattest Glück!«
Isabelle verzog skeptisch den Mund.
»Findest du? Sicher, Monsieur des Méloizes war charmant. Mit ihm hätte ich ein angenehmes Leben geführt… Aber heute weiß ich, dass mich das nicht glücklich gemacht hätte. Damals war ich ja so naiv! Ich habe nur davon geträumt, irgendjemanden zu heiraten und die Glocken der Kathedrale für mich läuten zu hören.«
»Das ist doch ganz normal! So sind alle jungen Mädchen!«
»Bestimmt. Aber ich bin kein junges Mädchen mehr, Mado. Solche Träume sind für mich vergangen. Ich habe ein Leben in Bequemlichkeit und Luxus geführt, in dem die Liebe fehlte, und dann die Armut kennengelernt, in der ich alle Reichtümer des Herzens gefunden habe. Jetzt weiß ich, was ich wirklich will. Aber Träume, Liebe… Das ist für mich vorüber! Ich heirate jetzt zum zweiten Mal, und wie beim ersten habe ich das Gefühl, zu meiner eigenen Beerdigung zu gehen.«
»Sag so etwas nicht! Du bist immer noch jung und schön, Herrgott!«
»Das ist nicht unbedingt eine Hilfe, wenn man sich wünscht, nie mehr zu lieben.«
»Isa! Du wirst nächste Woche erst dreißig!«
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie eilig ich es habe, fünfzig zu sein.«
»Weil du glaubst, eine alte Frau sehne sich nicht mehr nach Liebe? Liebe kann unterschiedliche Gestalten annehmen, Isa. Schau mich an. Ich habe geglaubt, nie wieder einen anderen Mann als meinen Julien lieben zu können. Und siehe da, jetzt bin ich mit einem dieser ›verfluchten‹ Engländer verheiratet!«
»Du hattest neun lange Jahre Zeit, deinen Julien zu vergessen!«
»Und neun Jahre, um mich an ihn zu erinnern! Gewiss, die Erinnerungen verblassen. Aber ich habe ihn nicht vergessen, so wie du deinen Alexander niemals vergessen wirst. Allerdings wirst du ihn nun einmal nicht wiedersehen! So einfach ist das! Mach es so wie ich, Isa.«
»Ich weiß ja, Herr im Himmel! Ich habe nur noch keine Zeit gehabt, mich damit abzufinden. Außerdem liebe ich im Gegensatz zu dir meinen Verlobten nicht… nun ja, jedenfalls nicht auf dieselbe Weise. Verstehst du denn nicht, dass bei mir alles anders ist?«
»Du darfst dich nicht lebendig mit deinen Erinnerungen begraben. Das ist nicht gesund. Und die Kinder …«
»Die Kinder! Ja, ich weiß schon, die Kinder!«
Isabelle holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Sie wollte sich nicht zwei Tage vor ihrer Hochzeit mit ihrer Cousine streiten. Daher zog sie es vor, das Thema zu wechseln.
»Wie geht es eigentlich Vater Macdonald?«
»Mal so, mal so. Wenn du mich fragst, wird er den Johannistag nicht erleben. Coll ist auf das andere Ufer übergesetzt, um einen Arzt aus Québec zu holen. Er kehrt heute Abend auf die Insel zurück. Daher kann er nicht zur Hochzeit kommen. Aber er hofft, dass du Verständnis dafür hast.«
»Das kann ich gut verstehen… Sicher ist das besser so«, setzte Isabelle leise hinzu und dachte bei sich, Colls Anwesenheit hätte sie nur noch mehr bedrückt.
Unterdessen kehrten Louisette und Mikwanikwe mit leeren Tellern ins Haus zurück. Die Kinder folgten ihnen auf dem Fuß und verlangten laut nach noch mehr Kuchen. Einen Moment lang herrschte Schweigen, das jedoch bald von bewundernden Ausrufen unterbrochen wurde. Louisette war mit vor Vergnügen rosig angelaufenen Wangen vor dem Kleid stehen geblieben. Isabelle hatte versprochen, ihr das Wunderwerk auszuleihen, denn Basile und sie würden nach der Ernte heiraten. Der Kutscher war in Montréal geblieben, um Jacques’ Sachen zu packen. Er würde morgen nachkommen, rechtzeitig zur Hochzeit.
Auch Otemin stand vor dem Kleid und riss staunend die Augen auf. Gabriel dagegen zog unsicher die Nase kraus. Isabelle beobachtete ihn. Ihr Sohn hatte ihr seine Meinung zu ihrer Heirat mit Jacques auf seine Weise kundgetan: Er wolle keinen neuen Papa mehr, hatte er erklärt. Folglich würde er seinen zukünftigen Stiefvater, ganz der perfekte kleine Mann von Welt, mit »Monsieur« ansprechen.
Kleinkindergeschrei riss die Gruppe aus ihrer Betrachtung. Marie trat ein und
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