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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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trug Élisabeth und Anna auf dem Arm, die laut brüllend nach ihren Müttern verlangten. Isabelle nahm ihre Tochter, die verstummte, als sie des merkwürdigen Gegenstands, der da mitten in der Küche hing, ansichtig wurde. Auch die junge Mohawk-Frau bewunderte das Gewand. Mit den Fingern strich sie über den kostbaren Stoff und die Stickereien. Ihre geröteten Wangen verrieten Isabelle, was sie dachte. Indes fand sie, dass Francis und Marie noch etwas Zeit hatten. Der junge Mann lebte inzwischen mit seinem Bruder in der Domäne Saint-Vallier, wo die beiden als Stallburschen bei den Barmherzigen Schwestern arbeiteten. So wurde Francis’ Leidenschaft ein wenig gebremst, und er konnte zugleich einen kleinen Notgroschen beiseitelegen.
    Mikwanikwe schob die älteren Kinder nach draußen, wo es für Anfang Mai ungewöhnlich heiß war. Dass die Ojibwa-Frau und Munro bei ihr waren, bedeutete einen Trost für Isabelle. Der raubeinig wirkende Schotte hatte ihren beständigen Bitten, er möge doch mit seiner Familie nach Beaumont ziehen, nicht lange widerstehen können. Jetzt lebte er mit Mikwanikwe ganz in der Nähe in einem Nebengebäude, das einst die Böttcherei beherbergt hatte. Jacques hatte ihn eingestellt, um das Land zu bebauen, um das er sich nicht selbst kümmern konnte. So wurden die Kinder, die in der letzten Zeit wie Geschwister aufgewachsen waren, nicht getrennt.
    Maries Einwurf riss Isabelle aus ihren Gedanken.
    »Habt Ihr eigentlich an die Blumen gedacht, Madame?«
    »Blumen?«
    »Für die Hochzeit!«, erklärte Marie.
    »Oh!«, rief Louisette aus.
    In der Tat hatte sich niemand Gedanken über die Blumen gemacht.
    »Ich werde keine Blumen haben, Mado!«
    Bestürzt sahen die vier Frauen einander an.

20
Der Hüter des Goldes
    Eine diffuse Sonnenscheibe schien schwach durch den Nebelschleier wie ein Auge, das ihn beobachtete. Dem Mann ging durch den Kopf, dass dies der unerbittliche, schonungslose Blick Gottes sein musste, der in der Stunde des Jüngsten Gerichts auf ihn herabsah …
    Er bewegte sich und wälzte sich auf den Rücken. Etwas bohrte sich in sein Kreuz und bereitete ihm einen stechenden Schmerz. Er wollte das Bein bewegen, um seine Stellung zu verändern, doch rasch gebot ihm ein noch stärkerer Schmerz Einhalt und entlockte ihm ein dumpfes Stöhnen. Mit vor Kälte zitternder Hand betastete er seine Beinlinge. Sie waren durchnässt und steif. Dann versuchte er mühsam, sich auf einen Ellbogen hochzustützen. Doch schließlich ließ er sich auf das Laub sinken, das sein Lager bildete.
    Da er keine Kraft zum Kämpfen mehr hatte, ergab er sich seiner Qual.
     
    Er trieb auf einem ruhigen Meer, irgendwo zwischen den Grenzen seiner eigenen Person und der Unendlichkeit. Gedämpfte Laute drangen zu ihm, und er nahm Gerüche wahr. Bilder stiegen daraufhin in seinem Kopf auf, doch ehe er sie festmachen konnte, zerfielen sie und lösten sich auf.
    Die Geräusche wurden deutlicher und kamen näher. Stimmen. Er versuchte sich zu bewegen. Dann wurde er leicht angestoßen, und heftige Schmerzen durchfuhren seinen Körper. Es war grauenhaft, unerträglich. Er schrie und versuchte die Hände, die ihn betasteten, wegzustoßen.
    Als er die Augen öffnete, sah er in zwei Gesichter. Einer der Männer trug einen schwarzen, runden Filzhut, unter dem feines Silberhaar hervorschaute. Er sprach ihn auf Algonquin an. Aber er erfasste nur Wortfetzen. Sein Bein? Was war damit?
    Weitere Hände machten sich an ihm zu schaffen. Er stieß ein langgezogenes Stöhnen aus, das ignoriert wurde. Er wurde befühlt, hochgehoben, weggetragen. Bilder von Folter, Zerstückelung und Körperteilen, die ins Feuer geworfen wurden, schossen ihm durch den Kopf. Dann ein Marterpfahl. Er brüllte. Sie rissen ihm das Bein ab! Diese verfluchten Wilden wollten sein Bein! Er bäumte sich auf und versuchte, sich den Händen zu entwinden. Doch eine starke Hand drückte ihn nieder, zwei ebenholzschwarze Augen, die unter faltigen Lidern lagen, sahen ihn an, und eine Stimme befahl ihm, sich nicht zu rühren.
    Die Luft roch gut nach Baumharz. Er spürte, wie weiche Tannennadeln seinen Nacken kitzelten. Während er angesichts des gebieterischen Blickes wie gelähmt auf der Schleiftrage lag, zurrten zwei andere Indianer ihn mit Lederriemen fest.
    Also gaben sie sich nicht mit seinem Bein zufrieden, dachte der Verletzte ironisch, sondern sie wollten seinen ganzen Körper. Zumindest würden sie nichts anderes bekommen… Was hatten sie schon von dieser elenden

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