Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
nickte sie langsam. Sie musterte sein Gesicht. Es strahlte vor Liebe, drückte Verständnis aus und wirkte vertrauenswürdig. Guillot besaß die Art von Schönheit, die man in Marmor unsterblich machen möchte. Aber er war nicht der Mann, für den ihr Herz schlug …
»Und Ihr seid auch noch da …«, fuhr Jacques fort.
»Ja, ich.«
»Ihr seid so allein … und so … begehrenswert.«
Seine bernsteinfarbenen Augen begegneten ihrem Blick. Jetzt floh sie nicht mehr vor ihm. Doch er entdeckte in ihren grünen Augen nicht diesen Funken, der ihn mit Freude erfüllt hätte. Er ließ die Finger über ihre Wange gleiten. Oft, wenn er sie jetzt tröstete, wagte er es, sie zu berühren. Jedes Mal entzog sie sich ihm sanft. Dann entschuldigte er sich der Form halber. Doch er sehnte sich verzweifelt danach, alles Trennende zwischen ihnen zu überwinden und sie endlich zu besitzen. Wie gut konnte er jetzt Pierre verstehen und sich in seine Verzweiflung und Einsamkeit hineinversetzen!
Doch in diesem Moment war Jacques entschlossener denn je, endlich sein Anliegen vorzubringen. Daher entschuldigte er sich nicht, sondern setzte seine Liebkosung sogar an ihrem Hals fort.
»Ich liebe Euch, Isabelle. Ich sehne mich so sehr danach, für Euch zu sorgen … Euch die Lebensfreude zurückzugeben, die Euch so gut zu Gesicht steht.«
»Ich brauche Zeit, Jacques … Zeit, um darüber hinwegzukommen.«
»Gestattet mir, Euer Herz zu umhegen, bis es gesundet. Erlaubt mir, Euch mit Zärtlichkeit zu umgeben.«
Mit diesen Worten trat er auf sie zu und legte kühn die Lippen auf die ihren. Sie wich nicht zurück, und er schöpfte Hoffnung. Er umarmte sie, zog sie an sich und küsste sie noch leidenschaftlicher.
Isabelle spürte, wie ihr Herz in tausend Stücke zersprang. Doch so schwer es ihr auch fiel, sie musste sich der unerbittlichen Wirklichkeit stellen, die Jacques ihr in Erinnerung gerufen hatte. Sie hatte nicht mehr die Stärke, allein weiterzumachen. Die Mühe, die sie die einfachsten alltäglichen Verrichtungen kosteten, verschlang ihre ganze Energie. Bald würde sie keine Kraft mehr für ihre Kinder übrig haben.
»Heiratet mich, Isabelle«, bat Jacques schließlich und gab sie frei. »Werdet meine Frau. Wir werden in die Domäne Beaumont ziehen, wie Ihr es gewünscht habt. Es wird Euch bestimmt außerordentlich guttun, aus Montréal fortzukommen.«
»Man muss dem Pächter Bescheid geben«, erklärte Isabelle zur Antwort, als hinge von dem Manne alles ab.
»Ich lasse ihm morgen durch einen Kurier einen Brief überbringen.«
»Es wird einige Zeit dauern, bis er eine neue Bleibe findet.«
»Das ist schon so gut wie erledigt, Isabelle. Macht Euch seinetwegen keine Gedanken. Ihr braucht Euch um nichts mehr Sorgen zu machen. Ich kümmere mich um Euch. Oh, Isabelle!«, flüsterte er und drückte sie fest an seine Brust. »Ich liebe Euch! Ich liebe Euch!«
Alex!, rief Isabelles Herz aufgewühlt. Komm zurück! Ich schaffe es nicht! Nein, nie werde ich einen anderen lieben können! Aber sie musste sich den Tatsachen beugen: Alexander war nicht mehr; sie hatte gesehen, wie man seine Leiche aus den rauchenden Trümmern gezogen hatte. Das entsetzliche Bild würde sie ihr ganzes Leben lang verfolgen. Oh ja, dieses Mal war er wirklich und wahrhaftig tot. Sie war allein mit den Kindern zurückgeblieben, obwohl sie eigentlich nichts mehr mit diesem Leben verband. Sie musste sich der Realität stellen. Jacques würde ein guter Vater und ein liebevoller Ehemann sein.
»Sieh doch einmal nach, wo Munro bleibt!«, rief Isabelle Gabriel zu.
Der Kleine ging dicht hinter ihr. Isabelle blies eine Haarsträhne weg, die ihr in die vom Schweiß brennenden Augen fiel, und ließ sich schwer auf den Sitz des Karrens fallen. In einem Anflug von Ungeduld fluchte sie. Dann wurde es wieder still. Die Luft, die von der grellen Sonne aufgeheizt wurde, stand.
Ein Kolibri surrte direkt neben ihrem Kopf, und Bellotte, die herrliche Apfelschimmel-Stute, die Jacques ihr geschenkt hatte, stellte die Ohren auf. Das Tier schnaubte und schüttelte sich, sodass die Deichsel und seine Passagierin ins Wanken gerieten, und steckte die Nase dann wieder ins Gras. Das Donnern des Maillou-Wasserfalls übertönte die Kinderstimmen und das Knarren des Mühlrads. Isabelle richtete den Blick auf die Île d’Orléans, die ihr gegenüber lag, und sinnierte.
»Noch zwei Tage… Am 5. Mai werde ich Madame Jacques Guillot sein.«
Ihr Verlobter war vor drei Tagen aus
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