Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
Untergang beizutragen. Im letzten Sommer hielt ich mich, gerade als die Massaker stattfanden, im Gebiet der Großen Seen auf. Ich habe das Gemetzel von Fort Miami 16 miterlebt. Kurz zuvor hatte ich den Indianern etwa fünfzig Gewehre mit Pulver und Munition überlassen. Vielleicht war ich naiv oder blind … Ich glaubte, es sei meine Aufgabe, diesen rechtlosen Völkern zu helfen, die die Engländer nach Westen zu verdrängen versuchen, um sich ihr Land anzueignen. Doch an diesem Tag wurde der Kommandant des Forts, Robert Holmes, von seiner Geliebten – einer Indianerin – nach draußen gelockt. Einer der Männer, die ich mit Waffen versorgt hatte, hat ihn kaltblütig niedergestreckt. Seinem Adjutanten, der durch den Schuss alarmiert worden war und herbeistürzte, um ihm zu Hilfe zu kommen, erging es nicht anders. Die Eingeborenen haben Holmes den Kopf abgeschlagen und ihn über die Mauern des Forts geworfen. Dann haben sie mich gebeten, mit den Soldaten zu verhandeln. Wenn sie abzögen, würden sie ihnen das Leben lassen. Ich war so dumm, der Garnison dieses Angebot zu überbringen. Die verängstigten Soldaten haben sofort angenommen und die Tore geöffnet… Nur sechs von ihnen sind entkommen, was aber nur ein Aufschub war. Ein paar Stunden später hat man sie lebendig verbrannt.«
Der alte Pelzhändler wandte Alexander sein gequältes Gesicht zu. Seine Augen waren feucht.
»In meiner Naivität habe ich diese Menschen bewaffnet, damit sie sich besser mit Nahrung versorgen konnten. Aber sie waren hinter einem ganz anderen Wild her, als ich dachte, Alexander! Ich bin für das Massaker an einer ganzen Garnison verantwortlich! Natürlich waren die einen und die anderen Krieger, aber … Da habe ich mich gefragt, wo das alles enden soll. Ich habe Dinge gesehen, die mir seit einem Jahr Alpträume bereiten. Ich habe erlebt, wie ganze Dörfer durch die Seuche dezimiert wurden. Oberst Bouquet, der Kommandant von Fort Pitt, erklärte, er wolle einen Waffenstillstand, und ließ als Geschenke Metallkisten verteilen, in denen sich angeblich Medizin befand. Sie durften erst in den Dörfern geöffnet werden. Tatsächlich enthielten sie Fetzen von Decken, die mit Pocken verseucht waren. Die Epidemie wütet immer noch … Seit die Senecas, die Odawas und die Chippewas an der Portage 17 bei den Niagarafällen einen Überraschungsangriff auf einen Armeekonvoi durchgeführt haben, greifen die Engländer auf alle möglichen Niederträchtigkeiten zurück, um die Indianer auszurotten. Der Befehl lautet, sofort zu schießen, wenn man eines Eingeborenen ansichtig wird. Auf Pontiacs Kopf ist eine Belohnung ausgesetzt. Aber es gibt auch Menschen wie die Paxton Boys. Diese Freiwilligenmiliz aus Pennsylvania hat im letzten Dezember eine friedliche Eingeborenengruppe in Canestoga massakriert. Die Mohawks, die mit den Engländern verbündet sind, haben auf einen ›Vorschlag‹ des Superintendenten für alle Indianerstämme, William Johnson, das Delaware-Dorf Kanhanghton verwüstet. Auf der anderen Seite gehen die aufständischen Eingeborenen auf Siedler los, die nur in Frieden mit ihnen zusammenleben wollen. Feige töten sie Frauen und Kinder. Dieser Krieg ist aus Verzweiflung geboren, und er wird verhängnisvoll für die Völker an den Großen Seen sein. Die Stämme leiden unter Hunger und Krankheiten. Kindersterblichkeit und Familienstreitigkeiten grassieren. Sie sind von allen Nachschubwegen im Osten abgeschnitten, und die Stämme im Westen, die uns feindlich gesinnt sind, wollen sich in die Angelegenheit nicht einmischen. Und so leben die armen Menschen im tiefsten Elend. Sie sind die Opfer der Gier von Raubtieren, die versuchen, sich ihres Lands und ihrer Schätze zu bemächtigen, um sie auszubeuten und sich zu bereichern, und die nur an sich denken. Auri sacra fames! Dieser entsetzliche Hunger nach Gold! Ich habe zu diesen Raubtieren gehört, mein Freund, und ich kann das nicht mehr hinnehmen! Hier geht es nicht mehr um Krieg oder Handel. Hier findet die Ausrottung eines Volkes statt! Je stärker die Eingeborenen gegen die Engländer rebellieren, umso unbedingter werden sie sie loswerden wollen. Das müssen sie begreifen … um zu überleben!«
»Um zu überleben …«, wiederholte Alexander mechanisch. »Aber sollen sie sich kampflos unterwerfen, um zu überleben? Ohne ihre Rechte einzufordern?«
Van der Meer nahm sein Lorgnon ab und rieb sich die müden Augen mit Daumen und Zeigefinger. Dann lächelte er, sichtlich
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