Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
hinzuhalten, wenn uns jemand schlägt, oder beim Baden das Hemd anzubehalten …«
Caroline unterbrach ihn mit einem kehligen Lachen und warf ihm einen vielsagenden Blick zu. Offenbar kannte sie seine Baderituale gut.
»Ihr habt da Petersilie zwischen den Zähnen, Mademoiselle Rouville«, versetzte Isabelle.
Die junge Frau hörte sofort zu lachen auf und hielt sich die Hand vors Gesicht. Die Umstehenden schmunzelten, und Pierre räusperte sich.
»Die Ursulinen erziehen immer noch die jungen Mädchen. Und außerdem, steht es uns nicht frei, unseren Glauben nach unserem eigenen Gutdünken auszuüben?«
»Damit die Engländer uns besser von den Wahlen fernhalten können?«, rief Jacques Guillot aus. »Die Katholiken haben kein Wahlrecht. Sehr liberal, allerdings! Öffnet die Augen, Monsieur, ehe es zu spät ist! Walker manipuliert und kontrolliert Euch!«
Pierre Larue riss die Augen auf und starrte seinen Gesprächspartner an. Anscheinend wollte er ihm gleich etwas entgegnen, doch es dauerte ein paar Sekunden, bis er antwortete.
»Eine Regierung durch das Volk für das Volk … Das bieten uns die Engländer an.«
»Von welchem Volk redet Ihr da? Von den Kanadiern oder den Engländern?«
»Wir sind jetzt nur noch ein Volk. Ihr versteht das nicht! Es geht nicht darum, dass wir uns den Engländern gleichmachen, Jacques. Wir habe die Chance, eine Regierung einzusetzen, eine richtige …«
»Aber auf unsere Kosten!«, fiel Isabelle ein, die nicht länger an sich halten konnte. »Um an der Regierung teilzuhaben, müssen wir werden wie sie. Keine Frage, wir sollen uns anpassen! Wollt Ihr warten, bis Eure Enkelkinder Euch mit Hello, grandpa! begrüßen, bis Ihr endlich begreift! Ihr seid ja schon davon angesteckt, Pierre.«
Pierre war bleich vor Zorn geworden und bedachte sie mit einem finsteren Blick. Sicher, er fragte sie oft nach ihrer Meinung über politische und gesellschaftliche Fragen und tolerierte es, wenn sie andere Ansichten äußerte als er. Aber sie in aller Öffentlichkeit auszusprechen und ihn vor seinen Freunden zu brüskieren, war eine ganz andere Sache! Sie war zu weit gegangen!
Ein verlegenes Schweigen senkte sich über die Gruppe. Isabelle erriet, was hinter der aufgebrachten Miene ihres Mannes steckte und begriff, dass sie besser geschwiegen hätte. Sie wandte sich ab und begegnete Jacques Guillots bernsteinfarbenen Augen. Nach einigem Räuspern wandte sich das Gespräch einem anderen Thema zu, und Isabelle zog sich diskret zurück. Sie ging zu den Türen, durch die man in den wunderschönen Garten der Sarrazins gelangte, und stieg die sechs Steinstufen hinunter, die auf den kiesbestreuten Weg führten, als eine feste Hand sie packte und herumriss.
»Wie könnt Ihr es wagen? Wie könnt Ihr die Stirn haben, mich derart zu demütigen?«
»Es tut mir leid, Pierre. Ich versichere Euch, das war nicht meine Absicht …«
»Tatsächlich nicht?«
Vielleicht war ihr Anwurf ja doch eine kleine, spontane Rache gewesen? Er wusste, dass er sich mit Caroline nicht diskret genug verhalten hatte, wenngleich er keinen wirklich peinlichen Fauxpas begangen hatte. Aber welches Recht hatte sie, ihn zu kritisieren? Hatte sie ihm diese schwierige Situation nicht aufgezwungen?
»Es ist mir einfach so herausgerutscht. Verzeiht mir.«
Er gab ihren Arm frei, und sie rieb ihn sich und wandte sich ab. Am Himmel prangte ein wunderbares Farbenspiel. Die Violetttöne des Abendhimmels spiegelten sich auf ihrem cremefarbenen Taftkleid. Angesichts der Schönheit seiner Frau spürte Pierre, wie sein Zorn verflog und einem Gefühl von Bitterkeit Platz machte. Wie er sie begehrte! Caroline war nur ein blasser Abglanz von ihr.
»Frauen sollten sich nicht in die Politik einmischen. Das ist ein Thema, das …«
»Nichts im leeren Köpfchen eines Zierpüppchens zu suchen hat? Seht Ihr mich so, Pierre, eine hübsche kleine Schäferin aus Meissner Porzellan, die auf einer Kommode steht? Schön, aber nutzlos?«
War sie wirklich dazu geworden? Sollte das ihr ganzes Leben sein? Nur schweigend zusehen, beobachten und lauschen? Sie sah ganz genau, wie Pierre Bücklinge vor den Engländern machte, die ihm ihr Geld unter die Nase hielten. Aber sie glaubte nicht, dass er gierig genug war, um nicht auf die Bedrohung zu reagieren, die eine uneingeschränkte englische Regierung darstellte. Ein Lachen, das vom anderen Ende des Weges zu ihr drang, unterbrach ihren Gedankengang: Da kam ein Paar auf sie zu. Das Rascheln von Seidenstoff
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