Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
Blick.
»Diese Schlichtheit … einfach vulgär!«
»Und ihre Frisur… Man könnte sie für einen Eichhörnchenschwanz halten.«
»Wohl eher für den eines Stachelschweins!«, spottete Perrine-Charles hinter vorgehaltener Hand.
Sie erstickten ihr unbändiges Lachen hinter ihren Fächern.
»Also, ich finde sie hübsch«, meinte Cécile und beäugte die fragliche Dame. »Schade, dass sie so unglücklich wirkt.«
»Hübsch? Pah! Na, vielleicht, wenn sie lächelt«, gestand Arielle zu und kniff über ihrem Glas die Augen zusammen. »Aber das kommt so selten vor. Ob sie schlechte Zähne hat? Was meint Ihr?«
»Nein, ich glaube, ihr Mann erlaubt ihr das Kokettieren nicht. Protestantische Strenge verpflichtet! Er selbst ist sich keineswegs zu schade, auf das Hinterteil von…«
»Cécile!«, empörte sich Françoise, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen.
Cécile drehte sich um sich selbst und wedelte vielsagend mit ihren Reifröcken. Die anderen kicherten.
»Eine kleine Demonstration gefällig?«
»Bei einer so blassen und nichtssagenden Frau wie Muriel, meine liebe Cécile, bleibt Monsieur Johnston wohl nichts anderes übrig, als auf Euren Ihr-wißt-schon-was zu schauen, wenn Ihr ihm dieses Körperteil so freundlich unter die Nase haltet.«
Herrje , sagte sich Isabelle und sah zu dem unscheinbaren Wesen, auf dessen Kosten sich dieses mit scharfen Bemerkungen und vorgeschobenen christlichen Ansprüchen bewaffnete Amazonenregiment amüsierte. Diese Frauen kamen regelmäßig bei der einen oder der anderen zusammen, um zu sticken, einander ihre Kleider vorzuführen und sich in Neid und Eifersucht zu üben. Wortlos hörte Isabelle zu, wie sie sich mit heuchlerischer Miene Geständnisse machten, die sie dann im richtigen Moment als Waffe gebrauchten. Angewidert betrachtete sie ihr honigsüßes Lächeln, hinter dem sich Raubtierzähne verbargen, die immer bereit waren, zu beißen und zu zerreißen.
Isabelle langweilte sich unter diesen Frauen zu Tode. Sie beteiligte sich nur um Pierres willen an diesen Unterhaltungen, da es für die Geschäfte des Notars förderlich war, wenn sie gute Beziehungen zu den Gattinnen der Reichen pflegte. Aber sie hasste all das, sie hasste diese »gute Gesellschaft« mit ihrer hochgestochenen Art. Heute fühlte sie sich noch mehr als sonst fremd in dieser Welt, die ihr mit einem Mal schrecklich oberflächlich und sinnlos vorkam. War das der Spiegel ihres eigenen Lebens, der Frau, die sie war?
»Ich sage nur, umso besser, wenn Lady Johnston so reizlos aufgemacht hier auftaucht. Eine Sorge weniger für uns! Was man von dieser raffinierten Caroline de Rouville nicht behaupten kann!«, stöhnte Françoise. »Sie macht Jagd auf jeden Ehemann!«
Allerdings, und Euren, meine teure Françoise, hat sie bereits erlegt! Wusstet Ihr das? , spottete Isabelle lautlos, während sie eine schockierte Miene aufsetzte. Die Frauen seufzten, die einen vor Neid, die anderen vor Verdruss. Aber was die Schönheit der besagten Dame anging, waren sich alle einig.
»Es heißt, sie sei intim mit dem Seigneur de la Corne.«
»Unter anderem, meine liebe Arielle! Vergangene Woche habe ich sie in der Kutsche von Monsieur Cramahé gesehen … und bei einer anderen Gelegenheit am Arm von Monsieur Caldwell. Genau, dieser zwielichtige Kaufmann! Wusstet Ihr, dass er zusammen mit William Grand öffentliche Mittel für seinen persönlichen Gebrauch abgezweigt hat? Es ist ein Skandal! Diese Engländer sind es nicht zufrieden, unsere Töchter zu heiraten, um dann mit deren Mitgift ihre Macht über uns zu vergrößern, sie tun alles, um uns in den Ruin zu treiben und uns auch noch den Rest unserer Würde zu nehmen!«
»Nicht nur die Engländer, meine Teure. Diese ungehobelten Schotten versuchen, den Seehandel an sich zu reißen.«
»Sind die Schotten nicht auch Engländer?«
»Nein. Sie sind Briten, aber keine Engländer«, erklärte Isabelle gereizt.
»Wirklich?«, gab Arielle zurück und riss in vorgespiegelter Treuherzigkeit die Augen auf. »Ihr seid aber gut informiert, liebe Freundin!«
Was danach kam, hörte Isabelle nicht mehr. Die respektlosen Reden und das spöttische Gelächter gingen für sie in dem allgemeinen Stimmengewirr des Saals unter. Sie hatte Pierre und Jacques erblickt, die sich zu der Gruppe, zu der die schöne Demoiselle de Rouville gehörte, gesellten. Enttäuscht verzog sie den Mund. Waren die beiden Männer etwa auch »intim« mit dieser Frau, vor der kein Ehemann sicher war? Es
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