Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
»Wenn man nicht gerade Hugenotte ist und vielleicht auch dann … jedenfalls wird man, wenn man französisch spricht, gleich an die niedrigere Instanz verwiesen. Lakaien und Stallburschen, das wollen die Engländer aus uns machen! So kann das nicht weitergehen!«
»Worüber beklagt Ihr Euch eigentlich, lieber Freund?«, spottete Marie-Charlotte. »Man zwingt Euch freundlicherweise auch das Recht auf, Geschworener zu werden! Was für ein schönes Sahnehäubchen!«
»Mir schmeckt es eher bitter, wenn Ihr meine Meinung hören wollt. Ist Euch das eigentlich klar?! Eine Handvoll Protestanten schwingt sich zum Richter über mehr als achtzigtausend Kanadier auf! Diese Leute sprechen oder verstehen nicht einmal Französisch, und kennen unsere Sitten und Gebräuche nicht. Das ist untragbar! In Trois-Rivières haben sie nicht einmal ein Gericht eingesetzt, weil es dort nicht genug Protestanten gibt. Die dortigen Juristen müssen ihre Fälle entweder nach Montréal oder nach Québec tragen. Ein Skandal!«
»Und trotzdem ist Walker immer noch nicht zufrieden«, fiel Jacques Guillot ein. »Er und seine Clique weigern sich systematisch, mit unseren Juristen zusammenzuarbeiten, vor allem bei einem Rechtsstreit zwischen zwei Protestanten. Sie behaupten, wir wären eine Bedrohung für ihre Religion und ihre Macht.«
Ein lautes Lachen ertönte. Caroline de Rouville sah Jacques Guillot mit schelmischer Miene an.
»Und dabei wirkt Ihr auf mich furchtbar bedrohlich, Monsieur Guillot! Ihr lasst Euer Gegenüber erzittern … nun ja, zumindest die Frauen.«
Verblüfft runzelte Jacques Guillot die Stirn und lächelte.
»Ich nehme an, aus Eurem hübschen Mund, Mademoiselle de Rouville, muss ich diese Bekundung als Kompliment verstehen.«
»Wagt es nicht, das Gegenteil zu glauben. Ihr seid ein sehr charmanter Mann. Doch leider muss ich mich, da ich Euch kenne, auf die Seite der englischen Richter schlagen. Ihr sprecht zu laut, und das macht den Leuten Angst. Dabei sind die stillen Wasser die tiefsten.«
Dieses Mal hatte der Scherz den Mann wirklich getroffen. Mit einem gekünstelten Lächeln wandte er sich von der Demoiselle ab. Sie warf Pierre einen Seitenblick zu, der Isabelle nicht entging.
»Walker will Murray seines Amtes entheben. Ganz offensichtlich will er sich dafür rächen, dass er früher Probleme mit der Militärjustiz hatte. Dazu verbreitet er Petitionen, die dem König vorgelegt werden sollen. Die Beziehungen zwischen den englischen Zivilisten und den Militärs verschlechtern sich. Der kleinste Konflikt nimmt beunruhigende Ausmaße an. Es wird gefährlich, meine Freunde!«
»Es wäre schade, wenn man uns General Murray wegnehmen würde. Er ist der Einzige, der unsere Religion und unsere Sprache toleriert, um nicht zu sagen schützt«, meinte Caroline seufzend.
»Aber wie lange noch? Ihm sind die Hände gebunden, und man versucht ihm ständig Knüppel zwischen die Beine zu werfen, um seinen Sturz zu beschleunigen! Ich sage Euch, wir müssen uns diesen Despoten entgegenstellen und Widerstand gegen diese englischen Kaufleute leisten, die uns vernichten wollen! Sie drängen die englische Regierung, unsere religiösen Orden auszulöschen.«
»Ironischerweise gewinnt in Frankreich der Atheismus an Boden, und man redet davon, die Jesuiten zu verbieten«, merkte Viger an. »Wenn das geschieht, was bleibt uns dann noch?«
Jacques Guillot nickte.
»Das ist wahr. Und diese Philosophen, die versuchen, den Absolutismus zu stürzen, indem sie für das Volk die gleichen Rechte und Freiheiten wie für den Adel verlangen, helfen uns nicht im Geringsten … Dann sind da noch die Augustiner … Nachdem die Engländer ihnen jede Korrespondenz mit ihrem Mutterhaus verweigert haben, weil sie fürchteten, sie könnten für Frankreich spionieren, hindern sie sie jetzt daran, neue Priester kommen zu lassen. Außerdem haben sie ihren gesamten Besitz konfisziert. Der Orden wird hier schließlich ganz verschwinden. Wer soll unsere Söhne unterrichten, nachdem nun das Kolleg geschlossen ist? Sie werden unwissend bleiben, und nur die Eroberer werden noch die freien Berufe ausüben!«
»Wir könnten doch moderne Schulen eröffnen«, hielt Pierre dagegen. »Es ist doch absolut nicht nötig, dass wir die Erziehung unserer Kinder den Orden überlassen. Ich akzeptiere gern, dass die Kirche sich um unsere christliche Moral kümmert. Aber ich sehe nicht, von welchem Nutzen es uns in Geschäftsdingen sein soll, wenn wir lernen, die andere Wange
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