Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung
Vater hier in diesem Zimmer gesessen hatte – sitzen würde -, wieder daheim, und mit Ian über Lallybroch gesprochen hatte. Und ihre Mutter? Den wenigen Sätzen nach, die Claire darüber erzählt hatte, waren sie und Jenny nicht in Frieden auseinandergegangen, und sie wusste, dass ihre Mutter darüber traurig war; sie waren einmal gute Freundinnen gewesen. Vielleicht ließ sich das ja kitten – vielleicht war es gekittet worden.
Sie warf einen Blick auf die kleine Holzkiste, die in Sicherheit auf dem oberen Regalboden stand, neben dem Geschäftsbuch. Die kleine Schlange aus Kirschholz ringelte sich davor zusammen. Sie nahm die Schlange in die Hand und tröstete sich an der glatten Rundung ihres Körpers und dem komischen Ausdruck ihres Gesichts, das über ihre nicht vorhandene Schulter zurückblickte. Unwillkürlich lächelte sie das Tierchen an.
»Danke, Onkel Willie«, sagte sie leise und spürte, wie sie ein außergewöhnlicher Schauer durchlief. Weder Angst noch Kälte – eine Art Freude, aber von der stillen Art. Verwandtschaft.
Sie hatte diese Schlange schon so oft gesehen – in Fraser’s Ridge und jetzt hier, wo sie ja auch geschnitzt worden war -, dass sie nie einen Gedanken an den Menschen verschwendet hatte, der sie gemacht hatte, den älteren Bruder ihres Vaters, der mit elf Jahren gestorben war. Doch auch er war hier, in seiner Hände Arbeit, in den Räumen, in denen er gelebt hatte. Bei ihrem ersten Besuch in Lallybroch – im achtzehnten Jahrhundert – hatte oben im Treppenhaus ein Gemälde gehangen, das ihn zeigte, einen kleinen, kräftigen rothaarigen Jungen, der neben seinem kleinen Bruder stand und ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte, blauäugig und ernst.
Wo war es wohl jetzt?, fragte sie sich. Und die anderen Gemälde ihrer Großmutter? Da war das Selbstporträt, das irgendwie den Weg in die Nationalgalerie gefunden hatte – irgendwann musste sie einmal mit den Kindern nach London fahren, wenn sie etwas älter waren, damit sie es sahen -, aber die anderen? Eines der Bilder hatte Jenny Murray als Mädchen beim Füttern eines zahmen Fasans gezeigt, der die sanften braunen Augen ihres Onkels Ian hatte. Brianna musste lächeln, als sie daran dachte.
Es war richtig gewesen. Hierherzuziehen, die Kinder … heimzubringen. Es war nicht so wichtig, dass es Roger und sie etwas Mühe kostete, ihren Platz im Leben zu finden. Obwohl sie vermutlich besser nicht für Roger sprechen sollte, dachte sie und verzog das Gesicht.
Sie richtete den Blick erneut nach oben auf die Holzkiste. Sie wünschte, ihre Eltern wären hier – nur einer von ihnen -, sodass sie ihnen von Roger erzählen konnte, sie nach ihrer Meinung fragen konnte. Nicht dass sie sich Ratschläge wünschte … Wenn sie ehrlich war, dachte sie, wünschte sie sich jemanden, der ihr versicherte, dass sie das Richtige getan hatte.
Mit hochroten Wangen streckte sie beide Hände aus und holte die Kiste herunter. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht abwartete, um den nächsten Brief mit Roger zusammen zu lesen. Aber … sie brauchte jetzt ihre Mutter. Sie griff nach dem ersten Brief, der außen die Handschrift ihrer Mutter trug.
In den Geschäftsräumen von L’Oignon, New Bern, North Carolina 12. April 1777
Liebe Brianna (und Roger und Jem und Mandy natürlich),
wir haben es ohne größere Zwischenfälle bis nach New Bern geschafft. Ja, ich kann hören, wie Du denkst, »größere?«. Und es stimmt tatsächlich, dass wir südlich von Boone auf der Straße von zwei Möchtegernbanditen angehalten worden sind. Da sie aber ungefähr neun und elf waren und nur mit einer antiken Radschlossmuskete bewaffnet waren, die sie beide in Stücke gerissen hätte, wenn sie sie tatsächlich hätten abfeuern können, waren wir nicht in Lebensgefahr.
Rollo ist aus dem Wagen gesprungen und hat einen von ihnen über den Haufen gerannt, woraufhin der andere die Waffe weggeworfen und Fersengeld gegeben hat. Aber Dein Vetter Ian hat ihn eingefangen und ihn am Hemdkragen zu uns zurückgezerrt.
Dein Vater hat eine Weile gebraucht, bis er ihnen ein verständliches Wort entlocken konnte, aber etwas zu essen hat dann Wunder gewirkt. Sie haben gesagt, ihre Namen sind Herman und – kein Scherz – Vermin. Ihre Eltern sind im Winter gestorben – ihr Vater ist auf die Jagd gegangen und nicht zurückgekommen; die Mutter hat ein Kind zur Welt gebracht und ist dabei gestorben, und das Baby ist einen Tag später gestorben, weil die beiden
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