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Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Titel: Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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denen ich abgelenkt war, genutzt, um unauffällig zu sterben.
    Rollo bewegte sich beklommen hin und her, heulte aber nicht mehr. Sanft legte ich meine Hand auf die eingesunkene Brust der alten Frau. Nicht um nach einer Diagnose zu suchen oder Hilfe anzubieten – nicht mehr. Nur … die notwendige Verneigung vor dem Tod einer Frau, deren Vornamen ich nicht einmal kannte.
    »Nun denn … Gott sei Eurer Seele gnädig, armes Ding«, sagte ich leise und setzte mich in die Hocke, während ich versuchte zu überlegen, was als Nächstes zu tun war.
    Die Highlandsitte wollte es, dass nach einem Todesfall sofort die Tür geöffnet wurde, um die Seele hinauszulassen. Ich rieb mir skeptisch mit dem Fingerknöchel über die Lippen; ob die Seele vielleicht schnell entwischt war, als ich beim Hereinkommen die Tür geöffnet hatte? Wahrscheinlich nicht.
    Man sollte ja meinen, dass es in einem Land, dessen Klima so menschenfeindlich war wie in Schottland, in solchen Dingen einen gewissen Freiraum gab, doch ich wusste, dass dem nicht so war. Regen, Schnee, Hagel, Wind – ein Highlander öffnete immer die Tür und ließ sie stundenlang offen, einerseits begierig, die scheidende Seele in die Freiheit zu entlassen, andererseits aus Angst, der Geist könnte umkehren und sich dauerhaft als Gespenst niederlassen, wenn man ihm den Abgang verweigerte. Die meisten Katen waren zu klein, um mit einer solchen Vorstellung zu leben.

    Klein Orrie war jetzt wach; ich konnte ihn fröhlich vor sich hin singen hören, ein Lied, das aus dem Namen seines Stiefvaters bestand.
    »Baaaaah-by, baaah-by, BAAAH-by …«
    Ich hörte ein leises, verschlafenes Glucksen und Bobbys gemurmelte Antwort.
    »Hallo, mein Kleiner. Musst du aufs Töpfchen, acooshla? « Beim Klang des gälischen Koseworts – a chuishle, »mein Herzensblut« – musste ich lächeln, sowohl über das Wort als auch darüber, wie seltsam es sich aus Bobbys Mund anhörte, denn er stammte aus Dorset. Doch dann stieß Rollo einen beklommenen Kehllaut aus und erinnerte mich daran, dass Handlungsbedarf bestand.
    Wenn die Familie Higgins und ihre Schwägerinnen in einigen Stunden aufstanden und eine Leiche auf dem Boden vorfanden, würden sie verstört reagieren und sich in ihrem Anstand verletzt fühlen – und die Vorstellung, dass möglicherweise eine tote Fremde an ihrer Feuerstelle spukte, würde sie nervös machen. Ein sehr schlechtes Vorzeichen für die frisch Verheirateten und für das neue Jahr. Andererseits jedoch machte die Gegenwart der Toten auch Rollo unübersehbar nervös, und die Vorstellung, dass er in den nächsten Sekunden das ganze Haus wecken könnte, machte wiederum mich nervös.
    »Also schön«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Dann komm schon.« Wie üblich hingen Zaumzeugteile, die geflickt werden mussten, an einem Haken neben der Tür. Ich entwirrte einen langen Zügel und improvisierte eine Leine, die ich Rollo anlegte. Er war mehr als dankbar, mit mir ins Freie zu gehen, und sprang voraus, als ich die Tür öffnete, auch wenn seine Begeisterung dann nachließ, als ich ihn zum Vorratsschuppen zerrte, wo ich die improvisierte Leine hastig um einen Regalständer wickelte, bevor ich in die Hütte zurückkehrte, um Großmütterchen MacLeods Leiche zu holen.
    Ich sah mich vorsichtig um, bevor ich mich wieder ins Freie wagte, denn ich musste an Jamies Ermahnungen denken, doch die Nacht war so still wie das Innere einer Kirche; selbst die Bäume waren verstummt.
    Die arme Frau konnte kaum mehr als dreißig Kilo wiegen, dachte ich; ihre Schlüsselbeine malten sich dicht unter der Haut ab, und ihre Finger waren zerbrechlich wie getrocknete Zweige. Dennoch, dreißig Kilo Ballast waren mehr, als ich heben konnte, sodass ich gezwungen war, die Decke auseinanderzufalten, in die wir sie gewickelt hatten, und sie als Schlittenersatz zu benutzen. Damit zog ich sie ins Freie, während ich ein Gemisch aus Gebeten und Entschuldigungen vor mich hin murmelte.
    Trotz der Kälte war ich schweißnass und keuchte, als ich sie in den Vorratsschuppen zog.
    »Nun ja, zumindest hatte deine Seele reichlich Zeit, sich davonzumachen«, brummte ich und kniete mich hin, um noch einen Blick auf die Leiche zu werfen, bevor ich sie wieder in ihr improvisiertes Leichentuch wickelte. »Und ich kann mir nicht vorstellen, dass du vorhast, in einer Vorratskammer herumzuspuken.«

    Ihre Augenlider waren nicht ganz geschlossen; es war ein weißer Spalt zu sehen, als hätte sie versucht, sie zu

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