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Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Titel: Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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seiner Butterbrottüte geschrieben zu haben schien, als ihr bewusst wurde, dass aus dem Gutsherrenzimmer auf der anderen Flurseite Geräusche kamen.
    Sie hatte schon seit einiger Zeit unbewusst ein leises Summen im Ohr, hatte es aber auf eine Fliege zurückgeführt, die hinter der Fensterscheibe gefangen saß. Jetzt jedoch hatte das Summen Worte angenommen, und keine Fliege der Welt hätte »The King of Love my Shepherd« zur Melodie von »St. Columba« gesungen.
    Sie erstarrte, als sie begriff, dass sie die Melodie erkannt hatte. Die Stimme war rau wie grobkörniges Schleifpapier, und hin und wieder überschlug sie sich … Doch sie hob und senkte sich, und es war, es war wirklich ein Lied.
    Das Lied endete abrupt in einem Hustenanfall, doch nach heftigem Räuspern und einigen vorsichtigen Summtönen erhob sich die Stimme erneut, diesmal mit einer alten schottischen Melodie, von der sie glaubte, dass sie »Crimond« hieß.
    Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
    Die letzte Zeile wurde ein paarmal in unterschiedlichen Tonlagen wiederholt, dann ging das Lied mit verstärkter Inbrunst weiter.
    Er erquicket meine Seele; er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
    Sie saß zitternd an ihrem Schreibtisch. Die Tränen liefen ihr über das Gesicht, und sie hielt sich ein Taschentuch vor den Mund, damit er sie nicht hörte. »Danke«, flüsterte sie in das Tüchlein hinein. »Oh, danke!«
    Der Gesang hörte auf, doch das Summen ging weiter, tief und zufrieden. Sie fand die Fassung wieder und wischte sich hastig die Tränen ab; es war fast zwölf Uhr – er würde jeden Moment kommen, um sie zu fragen, ob sie fertig war zum Mittagessen.
    Roger hatte große Zweifel gehabt, ob die Stelle des Hilfs-Chorleiters das Richtige für ihn war – Zweifel, die er vor ihr zu verbergen versuchte, Zweifel, die sie geteilt hatte, bis er heimgekommen war und ihr erzählt hatte, dass man ihm den Kinderchor anvertraut hatte. An diesem Punkt waren ihre eigenen Zweifel verflogen; Kinder hatten keinerlei Hemmungen, einem Sonderling jede Art von Fragen zu stellen, die ihre Eltern nie zu fragen wagen würden, und gleichzeitig akzeptierten sie diesen Sonderling dann rückhaltlos, sobald sie sich daran gewöhnt hatten.
    »Wie lange hat es gedauert, bis sie dich auf deine Narbe angesprochen haben?
«, hatte sie gefragt, als er lächelnd von seiner ersten selbständigen Probe mit den Kindern heimgekommen war.
    »Ich hatte keine Stoppuhr dabei, aber etwa dreißig Sekunden.« Er fuhr sich sacht mit zwei Fingern über die knotige Narbe an seinem Hals, hörte aber nicht auf zu lächeln. »Bitte, Mr. MacKenzie, was ist denn mit Ihrem Hals passiert? Hat man Sie etwa aufgehängt?«
    »Und was hast du ihnen gesagt?«
    »Habe gesagt, aye, man hätte mich in Amerika gehängt, aber Gott sei Dank hätte ich es überlebt. Und ein paar von ihnen hatten ältere Geschwister, die Ein Fremder ohne Namen gesehen hatten und ihnen davon erzählt hatten. Damit sind meine Aktien also ordentlich gestiegen. Ich vermute, jetzt, da mein Geheimnis gelüftet ist, erwarten sie, dass ich zur nächsten Probe meinen Colt trage.« Er zwinkerte sie mit einem Auge an wie Clint Eastwood, und sie war in Gelächter ausgebrochen.
    Sie lachte auch jetzt bei der Erinnerung daran – gerade rechtzeitig, denn Roger steckte seinen Kopf zur Tür herein und sagte: »Was würdest du sagen, wie oft der dreiundzwanzigste Psalm schon vertont worden ist?«
    »Dreiundzwanzigmal?«, riet sie und stand auf.
    »Im Presbyterianergebetbuch stehen nur sechs Versionen«, gab er zu, »aber es gibt Liedfassungen – auf Englisch, meine ich – von 1546. Eine steht im Bay Psalm Book, eine andere in der alten Ausgabe des Scottish Psalter, und dann gibt es noch etliche mehr. Die hebräische Version habe ich ebenfalls schon gefunden, aber die probiere ich in St. Stephen’s lieber nicht im Gottesdienst aus. Gibt es bei den Katholiken auch eine?«
    »Bei den Katholiken wird alles vertont«, sagte sie und hob die Nase, um nach Anzeichen des Essens zu schnüffeln. »Aber Psalmen singen wir normalerweise als Choräle. Ich kenne allein vier gregorianische Choralfassungen«, teilte sie ihm mit, »aber es existieren unendlich viele.«
    »Ach ja? Sing mir einen vor«, verlangte er und blieb erwartungsvoll im Flur stehen, während sie versuchte, sich den Text des dreiundzwanzigsten Psalms ins Gedächtnis zu rufen. Den

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