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Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Titel: Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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nachzusehen. Die Sonne berührte jetzt den Horizont; etwa noch eine Stunde Tageslicht, doch der Abendwind wehte bereits durch die Wipfel, und die Nacht kam mit flüsterndem Atem. Ich erschauerte unwillkürlich, obwohl es eigentlich noch warm war.
    Was willst du eigentlich tun, wenn es einmal wirklich kalt wird?, fragte mich die leise, nervöse Stimme, die in meiner Magengrube zu Hause war.
    »Dann ziehe ich mir noch ein Paar Strümpfe an«, knurrte ich zurück. »Ruhe jetzt!«
    Ein echter Christenmensch hätte das zweite Paar Strümpfe aber der Hure mit den nackten Füßen gegeben, merkte die scheinheilige Stimme meines Gewissens an.
    »Ebenfalls Ruhe«, zischte ich. »Ich bekomme schon noch genügend Gelegenheit, die Christin zu spielen – falls mir danach ist.« Außerdem hatte mindestens die Hälfte der Flüchtenden keine Strümpfe.
    Ich fragte mich, was ich wohl für die Freundin der Hure tun konnte, falls sie kam. »Die Krätze« konnte alles Mögliche von einem tatsächlichen Krätze-Ekzem oder Windpocken bis hin zur Gonorrhöe sein – obwohl man angesichts des Berufes der Frau wohl von einer Geschlechtskrankheit ausgehen konnte. Damals in Boston wäre es wahrscheinlich eine simple Hefepilzinfektion gewesen – merkwürdigerweise sah ich so etwas hier kaum, und mir kam der Gedanke, dass dies vielleicht dem weit verbreiteten Verzicht auf jede Unterwäsche zu verdanken war. So viel zu den Errungenschaften der Moderne!
    Ich ließ den Blick noch einmal auf den Rucksack fallen und überlegte, was ich noch übrig hatte und wie ich es verwenden konnte. Reichlich Verbände und Watte. Ein Topf Enziansalbe für die allgegenwärtigen Schürfwunden. Einen kleinen Vorrat der Heilkräuter, die sich am besten für Tinkturen und Kompressen eigneten: Lavendel, Beinwell, Pfefferminze, Senfsaat. Wie durch ein Wunder hatte ich die Chinarinde noch, die ich in New Bern gekauft hatte – ich dachte an Tom Christie und bekreuzigte mich, verdrängte dann aber jeden Gedanken an ihn; es gab nichts, was ich für ihn tun konnte, und ich war hier wirklich beschäftigt genug. Zwei Skalpelle, die ich Leutnant Stactoes Leiche entwendet hatte – er war unterwegs einer Fiebererkrankung erlegen -, und meine silberne Chirurgenschere. Jamies goldene Akupunkturnadeln hätte ich zwar auch zur Behandlung anderer benutzen können, doch leider wusste ich nur, wo man sie zur Behandlung der Seekrankheit setzen musste.
    Ich konnte Stimmen hören; Verpflegungstrupps waren im Wald unterwegs, hier und dort rief jemand einen Namen, suchte einen unterwegs verloren gegangenen Freund oder ein Familienmitglied. Die Flüchtlinge begannen sich für die Nacht niederzulassen.

    Dicht in meiner Nähe knackten Äste, und ein Mann kam aus dem Wald. Ich kannte ihn nicht. Zweifellos einer der »Schmutzstrümpfe« aus einer der Milizen; er trug eine Muskete in der Hand und ein Pulverhorn am Gürtel. Sonst nicht viel. Und ja, er war barfuß, auch wenn seine Füße viel zu groß waren, um meine Strümpfe zu tragen – eine Tatsache, auf die ich mein Gewissen vorsichtshalber hinwies, bevor es sich bemüßigt fühlte, mich erneut zur Nächstenliebe zu drängen.
    Er sah mich in der Tür stehen und hob die Hand.
    »Seid Ihr die Heilerin?«, rief er.
    »Ja.« Ich hatte den Versuch aufgegeben, die Leute dazu zu bewegen, mich als Ärztin zu bezeichnen.
    »Bin einer Hure mit einem feinen neuen Verband am Fuß begegnet«, sagte der Mann und lächelte mich an. »Sie sagt, in der Scheune ist eine Heilerin mit Medizin.«
    »Ja«, sagte ich erneut und betrachtete ihn rasch von oben bis unten. Ich sah keine äußerliche Verletzung, und er war nicht krank – das sah ich an seiner Gesichtsfarbe und seiner aufrechten Haltung. Vielleicht hatte er ja eine Frau, ein Kind oder einen kranken Kameraden.
    »Dann gebt sie mir«, sagte er immer noch lächelnd und richtete die Mündung der Muskete auf mich.
    »Was?«, sagte ich überrascht.
    »Gebt mir Eure Medizin.« Er kam näher und fuchtelte mit der Muskete in der Luft herum. »Könnte Euch einfach erschießen und mich selbst bedienen, aber ich will das Pulver nicht verschwenden.«
    Ich stand reglos da und starrte ihn an.
    »Was zum Teufel wollt Ihr denn damit?« Ich war schon einmal von jemandem überfallen worden, der Medikamente wollte – in der Bostoner Notaufnahme. Ein verschwitzter, glasig blickender junger Süchtiger mit einer Pistole. Ich hatte ihm sofort gegeben, was er wollte. Jetzt jedoch hatte ich das nicht vor.
    Er prustete und

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