Highland-Vampir
eine Whiskybrennerei, und daran wollten wir uns halten.
Schottland saugte uns auf.
Dieses Land saugt eigentlich jeden Besucher auf. Wer auch immer sich groß vorgekommen ist, kann leicht erleben, wie klein ihn die Realität machen kann, wenn er durch dieses Land fährt. Es war einfach einmalig, und das auch im Winter, wenn nichts blüht und an vielen Stellen noch eine Schneedecke liegt, als wollte sie geheimnisvolle Schätze verbergen.
Es gab die Moore, die kleinen Seen, oft nur Tümpel, es gab die Berge, die weiten Täler dazwischen, und es gab auch die nebeligen Gebiete.
Trotz allem existierte noch diese grandiose Weite, von der auch Marek nicht unbeeindruckt blieb. Er staunte einige Male laut vor sich hin und war der Ansicht, dass er in Rumänien so etwas nicht zu sehen bekam. Die Karpaten waren einfach zu düster, wie er immer wieder betonte.
»Willst du umziehen?«, fragte ich ihn und drehte den Kopf, denn ich saß neben Suko, der fuhr.
»Nein, das hatte ich nicht vor. Ich möchte, wenn es dann mal so weit ist, in der Heimaterde begraben werden.«
»Und du willst auch nicht woanders wiedergeboren werden?«
Marek grinste mich an. »Du kannst mich ja zuvor sicherheitshalber pfählen.«
»Ich werde es mir überlegen.«
»Aber nicht zu lange. Der Sensenmann ist oft schnell bei einem. Aber wem sage ich das.«
Es stimmte. Auch ich war dem Sensenmann nicht nur einmal von der Schippe gesprungen, aber das gehörte irgendwie zum Job, und daran hatte ich mich auch gewöhnt.
Weiter im Norden, wo sich die großen Lochs ausbreiten und die Landschaft noch baumloser ist, gibt es wesentlich einsamere Landstriche. Da herrscht so gut wie kein Verkehr im Winter, aber auch in Mittelschottland scheint die Welt manchmal ausgestorben zu sein, wie wir am eigenen Leib erlebten.
Bis Kirkton konnten wir auf den normalen Straßen bleiben, und der Nachmittag war schon fast vorbei, als wir den Ort erreichten. Es war ein Kaff. Zwar kannte ich kleinere, doch auch hier sagten sich Hund und Katze Gute Nacht.
Wir hatten keine Lust, lange zu suchen, und so rollte Suko auf den Hof einer Autoreparaturwerkstatt, auf dem ein alter Lastwagen stand, an dessen Fahrerhaus ein Mann lehnte, der an seiner Zigarette saugte und uns misstrauisch entgegenschaute.
»Ich steige mal aus«, sagte ich.
»Okay, aber lass dich nicht fressen«, meinte Suko grinsend.
»Keine Sorge. An mir wird er sich den Magen verderben.«
Der Mann, der Arbeitskleidung trug, warf mir die Kippe vor die Füße und trat die Glut aus, als ich vor ihm stehen blieb. »Du bist Engländer, wie? Und du bist fremd hier. Dann lass dir gesagt sein, dass ich euch Engländern keine Antwort gebe.«
»Guten Tag«, grüßte ich höflich.
»Hast du nicht gehört?«
»Doch, habe ich. Aber es stört mich nicht. Was habe ich mit Engländern zu tun?«
»Ach! Du bist Schotte?«
»Ich heiße Sinclair.«
»Na denn«, sagte der Mann und knetete seine Nase. »Was kann ich für euch tun?«
»Wir suchen die McClures.«
»Hm. Die Brennerei?«
»Ja.« Ich hob die Schultern. »Schon. Oder gibt es da noch eine andere Anlaufstelle?«
»Mehrere. Der Clan ist verzweigt, aber er ist auch ziemlich arm geworden. Das mit den Ländereien lief nicht mehr so. Ihr Herrenhaus haben sie auch verkauft. Darin befindet sich jetzt eine Rehaklinik für Gestörte.« Er grinste. »Wollt ihr etwa dorthin?«
»Nein, das hatten wir nicht vor. Wir wollten uns nur erkundigen, ob es jemanden gibt, der über die Geschichte des Clans Bescheid weiß. Das ist alles.«
»Warum das denn?«
»Wir machen Recherchen für eine TV-Serie über schottische Clans. Das ist alles.«
»Ich weiß nicht, ob sich die Whiskyleute für ihre eigene Geschichte interessieren. Die sind ziemlich abgefuckt, aber ich kann dir einen Tipp geben.«
»Das wäre gut.«
»Wenn ihr durch das Dorf fahrt und zwei Meilen weiter, dann findet ihr an der linken Seite, wo allmählich die Berge anfangen, einen alten Bau. Das war früher mal ein kleines Kloster.«
»Und heute?«
»Ist es fast wieder ein Kloster. Da leben ein paar Typen, die mit sich selbst ins Reine kommen wollen. Früher sagte man Hippies dazu. Ich weiß nicht, wie sie sich heute nennen und was sie tun. Wahrscheinlich nur abhängen.«
Ich war skeptisch und fragte: »Und die kennen sich mit der Geschichte des Clans aus?«
»Das war mal so, als die Mönche noch lebten. Sie haben viel gesammelt. Alte Unterlagen und so...«
»Was ist mit dir?«
»Ich habe mich um die nicht gekümmert.
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