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Hikikomori

Hikikomori

Titel: Hikikomori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Kuhn
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Jan von hinten um den Hals und hält ihm die Augen zu. Es ist Lilith. Jan gibt ihr einen Kuss auf die Wange, beide überstrahlen alle Umstehenden um das Vielfache. Er sagt etwas über ihr Lächeln, sie über seine Party, gegenseitig ziehen sie sich auf die Tanzfläche. Von irgendwoher quillt Nebel und legt einen weichen Filter über die beiden. Lilith kam nicht allein. Hinter ihr, in bedächtigem Abstand, folgten zwei auffällig gekleidete Jungs. Aus den Augenwinkeln sieht Till ihre roten Schuhe, die engen schwarzen Hosen, engen schwarzen Pullis und breiten schwarzen Brillen. Er kennt sie nicht. Ihre Pupillen wie seine Hemdknöpfe. Als er sie kurz aus den Augen lässt, weil Patrick neben ihm aufgetaucht ist, sind sie schon verschwunden. Der Duft von teurem Aftershave geht von Patrick aus, das Hemd hängt lässig über der Jeans, sein Markenzeichen sind lose gebundene Krawatten.
    »Ich will nichts«, sagt Till.
    Patrick eröffnet immer nach den Weihnachtsferien und um seinen Geburtstag herum einen Bazar: Tretroller, Mountainbike, diverse Spielkonsolen, ein Montblanc-Schreibset, iPods, sogar ein Gutschein zum Kitesurfen war schon darunter. Alles zum halben Preis.
    »Hey, hey, hey.« Patrick klopft ihm auf die Schulter, kramt in seiner Tasche und holt ein Schweizer Taschenmesser heraus. Seine Stimme melodisch. Würde Till ihr lange genug zuhören, könnte sie ihn von allem überzeugen.
    »Will ich nicht.«
    »Nein, nein, schau mal genau hin!«
    Till macht keine Anstalten, genau hinzuschauen.
    »Guck’s dir an!« Patrick drückt einen Schalter auf dem Taschenmesser und lässt einen USB -Stecker herausfahren. »16 Gigabyte plus Messerkram für 60.«
    »Zeig mal.« Till nimmt es in die Hand und klappt die einzelnen Messer auf. Patrick beobachtet ihn angestrengt, wie er mit dem Daumen die Klinge entlangfährt, sie im Licht aufblitzen lässt, wie er sie einklappt und das Messer in der Tasche verschwinden lässt.
    »Und die 60?« Patrick hält ihm die Hand entgegen. Er lächelt mit starrem Blick.
    »Ich schicke sie dir nach Harvard.«
    Während Patrick sich nicht weiter darüber aufregt, sondern lieber das Stichwort aufgreift und von seinem zukünftigen BWL -Studium und seiner unabdingbaren USA -Reise erzählt, betrachtet Till Jan und Lilith beim Tanzen, wie sie ihre Schenkel aneinanderreiben, wie sie ein treffliches Pärchen bilden. Im Hintergrund torkelt auf der Leinwand ein Trupp Nazi-Zombies Richtung Fenster. Ein Mädchen kreischt, ein Junge umfasst entschlossen den Griff einer Harke. Till kennt den Streifen. Die Zombies werden das Haus belauern, nächtelang, bis sie unerwartet, wenn die Insassen sich schon in die Haare kriegen, durch die Fenster einsteigen. Als Einzige wird das Mädchen überleben, alleine im Wald, abgebissenes Ohrläppchen, Glassplitter im Bein, hinter ihr ein Schatten: Ende.
    Till bedient sich aus der Badewanne, fährt sich vor dem Spiegel mit der nassen Hand durchs Haar, erzählt dem am Mittelfinger provisorisch geflickten Wurst das Ende des Films, der »Arsch« zu ihm sagt, weil er das gar nicht wissen will.
    Patrick hat wieder angesetzt, über seine nahe Zukunft zu sprechen. Er redet vom Tauchschein, den er auf Hawaii als Intensivkurs durchziehen möchte. Mit dem Segelschiff wolle er da hinkommen, im Zickzackkurs durch den Pazifik. Stündlich den Körper einfetten, Sonnenbrille auf der Nase, Girls oben ohne – er zeigt seine Zähne –, bauchige Segel, Schieflage, Badehose an, ab ins Wasser, abrubbeln, bräunen. Abends Unterdeck Poker, Bier, Jack Johnson, Martini, Strip, Poppen und so weiter. »Was ist denn das eigentlich?« Patrick zeigt auf Tills Hemd, die bis oben hin geschlossenen Knöpfe. Till zuckt mit den Schultern, öffnet den Knopf der Brusttasche und holt die Zigarettenschachtel hervor. »Hey, Mann, was ist denn los mit dir? Schau dich mal an: Früher warst du doch immer lustig.«
    »Zombies«, sagt Till und schaut ihn eindringlich an. Er drückt Patrick die leere Bierflasche in die Hand, zündet sich eine Zigarette an und läuft quer über die Tanzfläche, wo Jan und Lilith noch immer aneinanderkleben.
    Der Wintergarten ist das offizielle Raucherzimmer. Das rote Sofa ist neu und mit Menschen überladen. Der Springbrunnen aus Lavagestein ist ebenfalls neu, aber nicht angeschlossen. Till greift nach dem Stecker, ihm fällt nichts Besseres ein, da riecht er diesen bekannten Mundgeruch. Jahrelang hatte er diesen nach Kompost riechenden Atem im Nacken.
    »Zockst du wieder Medal of Honor ?«,

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