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Hikikomori

Hikikomori

Titel: Hikikomori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Kuhn
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Decke, der nackten Glühbirne, den verästelten Glühstäben. Der Film mit dem Trucker läuft zum zweiten Mal. Moritz stellt die Theorie auf, es seien mehrere Filme ineinandergeschnitten, die gar nichts miteinander zu tun hätten. »So als Resteverwertung«, sagt er. »Reste, die so abgefallen sind, von anderen Filmen, wie die Blonde, die kennt man von woanders her, aus Avatar oder so, die mit der krassen Nase und so. Und anschließend nehmen sie die Reste und kleben die ineinander. Sie sitzen da in so einer dunklen Kammer, haben lauter Kisten voller Material mit Bezeichnungen drauf. Und einer sagt: Hey, wir brauchen noch Sex, und ein anderer greift in die Sexkiste, die ist mega-voll natürlich, weil Sex nie so leicht hinhaut. Und der Typ holt so ’ne kleine Rolle raus, die er durch die Hand fahren lässt, und er sagt: Okay, hier von hinten, Gangbang in beide Löcher. Und der andere rückt rüber und schaut ihm über die Schulter und fragt nach der Farbe der Szene. Das ist megawichtig, die Farben müssen ja zueinander passen, sonst sieht das wie Bollywood aus. Und der Sex soll nicht wie Bollywood aussehen. Da soll keiner bescheuert im Hintergrund singen. Und er fragt: Hey, singt da einer bescheuert im Hintergrund? Und der eine steckt die Rolle in so einen abgefahrenen Apparat, mit LED und Schallwellen und so, um das nachzuprüfen. Und da gibt’s diese Anlage, aus der stöhnt so ein Rudel Wölfe, weil die Frau auf Wölfe steht und alle wie Wölfe verkleidet sind, weil Halloween oder so ist, wo jeder hinter einer Maske endlich der Ober-Digger sein kann. Und sie fangen an, nach Halloween zu suchen, und der Typ holt eine Kiste voll Halloween. Und sie stopfen sich Vampirzähne ins Maul und beginnen in Hälse zu beißen, und der eine schnallt sich einen Dildo um und banged den anderen von hinten.«
    »Voll schwul.«
    »Halt’s Maul, Hetero ist voll schwul!« Moritz starrt auf den Flachbildschirm: Der Trucker hält einem Eisverkäufer die Shotgun unter die Nase, grunzt irgendwas Unverständliches. »Guck, das haben sie aus Tarantino!«
    Trülie ist mittlerweile im Keller eingetroffen. Er habe Plätzchen gebacken, den ganzen Nachmittag damit verbracht, erzählt er. Maren, die immer weiter zu Till herüberrutscht, will das Rezept wissen. Till findet, sie müsse erst einen Shot rauchen, um ihm wirklich nahe zu sein. Trülie listet die Zutaten auf, während er einen Joint dreht. Maren nickt, hat verstanden, nicht mehr als 0.2 Gramm pro Keks verwenden. »Später.« Trülie klopft geheimnisvoll auf die Keksbox. Maren nickt.
    Trülie leckt das Paper an und schließt den Joint: »Wer will ’nen Shot?«
    Maren krabbelt als Erste zu ihm rüber, man sieht ihren violetten Tanga. Trülie steckt den Joint falsch herum in den Mund, dass die Glut von seinem Mund umschlossen ist. Maren nimmt das andere Ende in den Mund, es sieht so aus, als küssten sie sich. Trülie pumpt ihr Rauch in die Lungen, sie hustet nicht. Hinter ihr formiert sich eine Schlange. In Till steigt das Verlangen auf, Maren einen finalen Shot zu verpassen.
    Till behält den Rauch so lange in der Lunge, bis nichts mehr herauskommt. Moritz winkt ab, starrt als Einziger noch auf den Bildschirm. »Ist da die Hornisse?«, fragt ihn Till und zeigt auf die mit Decken umwickelte Heizung.
    »Finger weg, ohne Witz, die ist voll Terror!«
    »Wer ist voll Terror?«, fragt Trülie, der in der Hand eine Mandarine hält und zu schälen beginnt.
    Till steht auf und läuft zur Heizung. Er hat wieder diesen Linksdrall.
    »Finger weg!« Moritz springt panisch auf. Alle springen panisch auf. Sogar der Junge am Computer.
    »Wie habt ihr das gemacht?«, fragt Till.
    Die Decke ist mit Klebeband am Boden und der Wand fixiert, von der Heizung ist nichts mehr zu sehen. Der Junge ist aschfahl, die Augen rot unterlaufen. Till kann nicht sagen, ob er vor Kälte zittert oder nur nervös ist.
    »Jan und ich haben den Keller hergerichtet«, beginnt der Junge mit monotoner Stimme zu erzählen. »Da kam wer rein und sagte: Da ist ja eine Motte. Jan und ich sahen keine Motte. Moritz und ich haben die Bong aufgebaut und ein bisschen geblubbert. Jan war weg. Als es dunkel war, haben wir die Motte gesehen, wie sie immer quer durch den Raum flog. Und als sie auf dem Fensterbrett landete, dachten wir erst, es sei ein Käfer. Später haben wir gemerkt, dass es eine riesige Hornisse war, die plötzlich verschwunden war. Ich habe keine Panik bekommen. Wir haben mit einem Stück Pappe die Hornisse aufgespürt

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