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Hikikomori

Hikikomori

Titel: Hikikomori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Kuhn
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Brokkolistamm nagelte, dann zum Bau des Baumhauses knapp unter dem Wipfel verwendete. Ich sparte Öffnungen für die Fenster aus, falls ich herausbekommen sollte, durch welche Kombination man Glas herstellt. Um das Haus zog ich eine Terrasse, die mir einen 360-Grad-Blick ins Land ermöglicht. Das Innere des Baumhauses beließ ich simpel und hölzern. Ein Tisch, ein Stuhl und ein Ofen genügen. Aus Holz und Kohle habe ich Fackeln gebildet, die so um das Baumhaus herum angebracht sind, dass sie, wenn es dunkel wird, noch aus weiter Ferne sichtbar sein müssten. Ich wünsche mir, dass man mein Haus von jedem Winkel der Welt 0 aus sehen kann. Die Fackeln benutze ich zudem, um den Ofen, den ich aus einer Steinkombination gewonnen habe, zum Glühen zu bringen. Tagsüber jage ich im Tal Kühe und ernte aus ihnen Fleischstücke, die ich anfangs roh aß, was meine Lebensenergie nicht sonderlich auffrischte. Seit es den Ofen gibt, besteht nun die Möglichkeit, Steaks zu braten oder die Pilze zu einem Sud zu verrühren. Ein permanenter Duft steigt seitdem von der Behausung auf. Das Besondere in 0 ist, dass man hier keinem Wesen Leid zufügt, denn die Schweine oder Kühe, die ich kurz zuvor geerntet habe, suhlen sich wenig später wieder irgendwo im Schlamm oder weiden im satten Gras. Einige der Tiere opferten sich gar freiwillig und warfen ihr Fell zu meinen Füßen, da es sich vielleicht bereits herumgesprochen hatte, dass der neue Bewohner früher nur auf Fellen schlief. Der Boden meines Brokkolihauses ist komplett damit ausgelegt, egal wo ich mich jetzt fallen lasse, schlafe ich gut. Die Schafe dienen auch zur Herstellung von Wolle, irgendwann sicherlich zur Gewinnung von Käse und dergleichen.
    Ich lebe von der Hand in den Mund und in den Tag hinein. Wenn ich Hunger habe, gehe ich jagen, wenn Durst, schlendere ich runter zum Fluss, wenn ich pinkeln muss, schiffe ich einfach in den nächstbesten Busch, und wenn es mich nach Unterhaltung gelüstet, zertrümmere ich bei Anbruch der Nacht ein paar Zombieschädel. Mehr brauche ich erst einmal nicht.
    Sieben Grad. Tendenz fallend.
    Das Tier schlottert am ganzen Körper. Wir messen die verrinnende Zeit an den sinkenden Temperaturen. Ich wickele es fest in ein Bettlaken ein, lege es so auf seinen Platz in Tastaturnähe. Wir lieben die Wärme des Bildschirms. Minecraft fragt, wo ich denn den Spawn, den Eingang zur Welt 0 festlegen möchte, da die Ersten bereitstünden, um zu joinen. Ich weise neben das Abbild des Tiers, das ich auf dem Hochplateau aus Stein geschlagen habe. Das Tapfere Sniperlein und Girl No.1 sind die ersten Menschen, die neben dem Abbild des Tiers erscheinen. Adam und Eva. In der Sekunde, wo sie Gras unter den nackten Füßen spüren, halten die Tiere dieser Welt inne, heben die Köpfe vom Weiden oder unterbrechen ihre Flugbahn, registrieren die Neuankömmlinge. Zudem erschallt vom Baumhaus als Begrüßungssound On Ho! von Andrew Birds Nobel Beast . Jedes Mal, wenn jemand in diese Welt spawned, wird dieser Song ertönen.
    Von der Terrasse meines Baumhauses aus erblicke ich zum ersten Mal ihre Ebenbilder. Das Tapfere Sniperlein ist drahtig gebaut, jeglichen überschüssigen Fettes entledigt, die Finger bewegen sich feingliedrig über den Kopf eines Lamms, das sich wie eine Katze an sein Bein schmiegt. Seine Haare sind schwarz und dicht gewachsen, die Haut zart, die Poren rein. Besondere Fähigkeiten wird er sich erst mit den Jahren aneignen, seine Anlagen sind aber: scharfer Verstand, hohe Konzentrationsfähigkeit, Familiensinn.
    Bei dem Anblick von Girl No.1 falle ich beinahe von meinem Aussichtspunkt. Sie ist groß, die kastanienfarbenen Haare flattern trotz Windstille durch die Luft. Die weiße Haut ist mit Abertausenden, sachte pulsierenden Sommersprossen übersät, eine jede birgt einen Wunsch in sich. Sie erinnert mich an Kim, so wie ich sie in Erinnerung habe.
    Girl No.1 und Das Tapfere Sniperlein schauen sich in die Augen, ohne ein Wort zu sagen, geschweige denn zu bemerken, dass die Sonne währenddessen weiterwandert. Da greifen sie wie auf Kommando nach den Händen des anderen, als wäre das in dieser Situation das einzig Logische. Eine Brise weht über die Hochebene und schiebt Girl No.1 an ihn heran. Alles hängt hier zusammen, nicht nur Körperliches mit Körperlichem. Nein, auch der Wunsch, der Gedanke, das Gefühl – alles hat seine Auswirkung auf die natürliche Umgebung. Da küssen sie sich.
    Im Nu bin ich, sporadisch ein Fell um meine Lenden

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