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Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Titel: Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gil Adamson
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Café?«
    »Was für ein Café?«
    »Wo Mum war.«
    »Wer weiß, Andrew? Und wen interessiert’s?«
    Komisch, wie das Gehirn arbeitet. Jemand sagt, denk bloß nicht an Hunde, und plötzlich denkt man an nichts anderes als an Hunde. Ich wusste, wo meine Mutter war. Ich konnte es sehen. Die Wände waren weiß, die Tische braun, sie rauchte, und ein Mann ging die Reihe der Tische entlang und brachte ihr ein Kännchen öligen Kaffee. Draußen parkten Laster, und Leute lehnten sich beim Auftanken an ihre Autos. Meine Mutter beobachtete meinen Vater in der Telefonzelle, und er blickte zu ihr herüber, sah sie im Fenster des Cafés.
    Wie dumm bin ich eigentlich? Ich sitze dauernd irgendwelchem Blödsinn auf. Ich glaube, dass es Bigfoot, den sagenhaften Affenmenschen, wirklich gibt. Aber so etwas glaubt sich leicht, weil es unwichtig ist, ob es wahr ist oder nicht. Mein Bruder dagegen tut mir leid, weil er sich Dinge wünscht, die unmöglich wahr werden können.
    Draußen wird es dunkel, und das Licht, das aus unserem Haus fällt, erhellt das Innere des Verdecks. Regen prasselt auf das Auto herunter, und alles fühlt sich anders an, als wäre ich, ohne es zu merken, eingeschlafen. Allmählich wird mir klar, dass ich mit dem aufgeschlagenen Buch auf dem Bauch eingenickt bin. Ganz in der Nähe höre ich ein Radio und setze mich auf, um zu sehen, was los ist.
    »Du lieber Gott!« Auf dem Vordersitz dreht sich mit einem Ruck mein Großvater herum. »Wo kommst du denn plötzlich her?« Im Radio läuft das Baseballspiel, und er sitzt in weißem Unterhemd und Badehose da. Er ist triefnass vom Regen und sieht glücklich aus – oder sähe glücklich aus, hielte er nicht die Hände aufs Herz gepresst, damit er keinen Infarkt bekommt.
    »Ich bin eingeschlafen, Großvater«, krächze ich und setze mich rasch auf den Gedichtband.
    »Was hast du denn da?«, blafft er sofort. Widerstrebend händige ich ihm e.e. cummings aus. Er schlägt das Buch auf und starrt auf die Seiten, dann liest er laut vor.
    » ich sing von Olaf froh und dick / sein heißes herz erbebt vorm krieg: / verweigerte den waffendienst … Was ist denn das? Ein Gedicht wohl kaum. ›Dick‹ gereimt auf ›Krieg‹?«
    »Großvater …« Ich versuche, ihm das Buch wieder abzunehmen, aber er hält es außer Reichweite.
    » … muss blumen essen, nicht sich fürchten? Au Backe.«
    Er drückt das Buch fester an sich und liest weiter. Regen trommelt auf das Auto, und ich sehe zu, wie er die Scheiben herunterrinnt, so dass unser Zaun nur noch verzerrt zu sehen ist. Ich gewöhne mich allmählich an Spott. In der Schule verarschen alle alles. Gedichte lesen ist gar nicht so schlimm; wenigstens habe ich keine Riesentitten, Hochwasserhosen oder Akne. Ich bin nicht im Schachklub. Ich heiße nicht Bogdana oder Flower. Es könnte schlimmer sein.
    »Das hier ist nicht schlecht«, sagt Großvater und tippt auf eine Seite, dann gibt er mir das Buch zurück und sitzt eine Weile stumm da, die Hände auf dem Steuer. Er klopft auf das Glas über der roten Bremslichtanzeige. »Weißt du, dass ich früher auch Gedichte geschrieben habe?«
    »Bevor oder nachdem du Mastodon gegessen hast?«
    »Ach, vergiss es.« Verärgert lässt er den Badehosenbund schnalzen.
    »Granny hat’s mir schon erzählt«, gestehe ich.
    »Na … dann«, sagt er.
    Granny hat mir sogar ein paar von seinen Gedichten gezeigt, und sie waren gar nicht peinlich, manches davon nicht einmal gereimt. Anscheinend hat er das Zeug tonnenweise geschrieben. Die Gedichte waren alle ihr gewidmet, kein einziges handelte von Liebe. Großvater rutscht kurz auf seinem Sitz herum, dann dreht er das Radio lauter, und wir hören, wie das Spiel der Blue Jays gegen die Angels wegen Regens abgebrochen wird.
    Als wir zum Abendessen hereinkommen, ist Andrew allein in der Küche. Er steht auf einem Stuhl und rührt in einem Topf Suppe. In der Küche ist es dunkel. Großvater und ich stehen in der Diele und sehen meinem Bruder, der beim schwachen Schein der Gasflamme unter dem Suppentopf nur in Umrissen erkennbar ist, beim Kochen zu.
    »Eine Sicherung ist rausgeflogen«, sagt Andrew, ohne aufzublicken. Dann geht das Licht wieder an, und wir sehen, dass Andrew die Küchenschürze auf die Hälfte der Länge zusammengefaltet und hoch unter die Achseln gebunden trägt, damit er nicht darüberstolpert. Wir hören meine Großmutter die Kellertreppe hochsteigen, und Großvater flitzt in mein Zimmer hinauf, um aus der Badehose zu schlüpfen und sich

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