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Hilfe, die Googles kommen!

Hilfe, die Googles kommen!

Titel: Hilfe, die Googles kommen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Mann
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plötzlich das Telefon mit einem klassischen Riiiiiiiing klingelt. DAS FESTNETZTELEFON ? WIE NEUNZEHNHUNDERTNEUNZIG IST DAS DENN ? Man nimmt ab, die Patentante ist dran, aber man schreit » ICH KANN GERADE NICHT REDEN! ICH MUSS KOMMUNIZIEREN !« Dann klingelt es wieder – und zwar, Dingdangdong, an der Haustür. Auf dem Weg zur Pforte beantwortet man zwei SMS auf dem Handy, öffnet und blickt ins Gesicht des Briefträgers, der mit großem Hallo ein Einschreiben abgeben möchte. Man nimmt das Einschreiben an, schaut auf den Absender und hört sich keifen: » WARUM SCHREIBT DER KEINE MAIL, DIESER ANALOGE PFEIFENWICHS !« Den Unmut über die ewig gestrige Art der Korrespondenz teilt man dem Einschreibenschreiber via iMessage und dem Postboten mündlich mit. Danach sind beide beleidigt, was einem Ers­terer – Pading – in einer ICQ -Nachricht und Letzterer – Blök – ziemlich direkt ins Gesicht sagt.
    Erschöpft fällt man auf seinen Bürostuhl und schreibt eine E-Mail mit dringenden To-dos an sich selbst: »Milch kaufen, Benny Breitner zur Hochzeit gratulieren, Patentante zurückrufen, sich beim Briefträger entschuldigen.« Schon Sekunden später meldet das E-Mail-Programm mit einem Brumms: »Sie haben eine Nachricht.« Es ist absurd: Am Ende geht man sich schon selbst mit E-Mails auf den Sack.
    Fakt ist: Wir leben in einer Zeit, in der Kontakte kostbarer und kursstabiler sind als Wertpapiere. 135 Wer sehr gefragt ist, wird auch viel gefragt und muss entsprechend häufig antworten. Was aber, wenn man, verstrickt in Kommunikation, vor lauter Worten nicht mehr zu Taten kommt? Schon seit Jahren bemühe ich mich, die Bestie digitale Kommunikation zu bändigen. Sie ist allerdings wie die Hydra, der man einen Kopf abschlägt und sich dafür sofort zwei neue installieren.
    Es ist lange her, dass Adresse und Telefonnummer einen vollständigem Datensatz ergaben: Skype-Name, ICQ -Nummer, Twitter-Username und E-Mail-Adresse sind heute mindestens genauso wichtig, um an der modernen Smalltalk-Konversation teilzunehmen. Es wird immer unüberschaubarer und damit schwieriger, eine Nachricht ans richtige Ziel zu bringen. Je exzessiver und schneller wir mit Mails, Kurznachrichten und Chatfetzen um uns schießen, umso höher wird die Quote von Querschlägern, was verheerende Folgen haben kann.
    Eine schlüpfrige SMS , heiße Börsentipps via ICQ oder kathartische Beleidigungen als WhatsApp-Nachricht – all das kann, an die falsche Adresse geschickt, wahlweise zum Schei tern der Ehe, zu herben Spekulationsverlusten oder einer Faust auf dem Auge führen.
    Ich bin mir sicher, dass mittlerweile fast jeder das Gefühl kennt, gedankenverloren eine Nachricht abgeschickt zu haben, um Minuten später eine fassungslose Antwort vom Arbeitskollegen zu bekommen: »Ähm, seit wann nennen Sie mich Schnäuzelchen? Und möchten Sie wirklich mein Geschlechtsteil streicheln?« Gut, das kann der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein, ist es aber in der Regel eher nicht. Wer jetzt behauptet, unser Hirn wäre heutzutage unterfordert, hat zu Hause noch ein Wählscheibentelefon und schreibt Nachrichten mit Federkiel und Tintenfass. Nur ein wacher, gesunder Geist meistert souverän das Wirrwarr der Kommunikations­kanäle, aber selbst der souveränste Messagemaster verdrückt sich hin und wieder.
    Dennoch: Alle Kulturpessimisten und Chat-Kritiker sollten sich vor Augen führen, dass die Menschen nach vielen Jahren fast ausschließlich mündlichen Austauschs endlich wieder in Textform miteinander kommunizieren. Gut, oftmals nicht in der Qualität der Briefe, die Goethe an Schiller geschrieben hat, aber diese beiden Tagediebe hatten ja außer dichten, denken und Briefeschreiben auch sonst nix zu tun. 136 Wir haben heute einfach keine Zeit mehr zu denken und sind deswegen auch nicht mehr ganz dicht.
    Dieses an sich begrüßenswerte Mehr an Korrespondenz führt leider dazu, dass unser Wortschatz spürbar kleiner wird. Aus Zeitdruck und Bequemlichkeit begeben wir uns immer mehr in die Hände der Technik und nutzen nur noch die Wörter, die anstan dsl os von der automatischen Rechtschreibkorrektur im Handy erkannt werden.
    Diese Funktion ist für mich eine der schlimmsten digitalen Seuchen überhaupt. Ständig werden alle Worte, die wir ein­tippen möchten, vermeintlich intelligent verändert. Das treibt mich regelmäßig in den Wahnsinn: Ich will »Brauche noch eine Minute« schreiben – schon macht das Handy aus dem kleinen Artikel »eine« einfach so

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