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Hilfe, die Googles kommen!

Hilfe, die Googles kommen!

Titel: Hilfe, die Googles kommen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Mann
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die Broker diese Nachricht auf dem ­Ticker sehen, gehen ein paar Kilometer weiter an der Frankfurter Börse direkt die Preise für Tierfutter und Importfleisch in den Keller. Das nenne ich real existierenden Raubtierkapitalismus.
    »Abwarten und Tee trinken« wäre eine gute Idee. Schwierig, wenn einem beim Warten der Tee aus der Hand fällt, weil man auf dem Tablet rumwischt und mit suboptimal recherchiertem Just-in-time-Journalismus konfrontiert wird. Zu allem Überfluss besitzt die alte Zeitungsregel »Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten« nach wie vor Gültigkeit. So wird man mit unzähligen aufgeblasenen Nachrichtenattrappen der erschreckendsten Art konfrontiert und ertappt sich plötzlich ­dabei, wie man kopfschüttelnd murmelt: »Gott, ist die Welt schlimm geworden!«
    Ich glaube ja, dass die Welt tatsächlich nicht mehr oder weniger schlimm ist als vor fünfzig Jahren. Man bekommt heute das ganze reale Unheil und alles darüber hinaus einfach nur mehr mit. Viel zu häufig lasse ich mich aber auf den Horrortrip der Nachrichtenindustrie ein. Gelassenheit findet im Internet nicht statt, was tatsächlich ein Problem ist. Man muss sich seine Grundruhe heutzutage schwer erarbeiten und Nachrichten, die einen bewegen, einem gründlichen Faktencheck unterziehen, sich die Tatsachen eben zusammengoogeln.
    So wird man zwangsläufig zum festen Freier der Nachrichten-Websites und versucht mit Pinzette und Lösun gsm ittel Ohren, Stoßzähne und Rüssel von den Mücken zu entfernen, die tagtäglich gegen unsere Wohnzimmerfenster dotzen.

    # 130 Fälschlicherweise oft als Roland-Koch-Institut bezeichnet. Eine Verwechslung, die naheliegt, wenn es um gefährliche Erreger geht.
    # 131 Mittlerweile ist klar, dass die schlimmsten südländischen Gurken an der Spitze spanischer Banken zu finden sind.
    # 132 Wobei ich seinerzeit beim Lesen von »aggressiver Erreger« zuerst dachte, ­Dominique Strauss-Kahn hätte wieder Mist gebaut.
    # 133 Professionelle Bombenentschärfer unterscheiden übrigens zwei Arten von zu entschärfenden Fliegerbomben: Blindgänger und Versager. Während Versager defekt sind und im Grunde keine Gefahr darstellen, sind Blindgänger hochgefährlich und können jederzeit explodieren. Eine Unterteilung, die man auch in der Politik vielerorts anwenden kann.
    # 134 Eine seltsame Sadomaso-Arbeitsbeziehung, bei der Firmen sich Mitarbeiter zulegen, für die sie arbeitsrechtlich keine Verantwortung tragen. In der Szene wird eine solche Stellung mit »fester Freier« abgekürzt, was eine Nähe zur Prostitution zumindest vermuten lässt.

Von Johann Wolfgang von Goethe, der Urfaust im Boxring deutscher Literatur, soll die folgende Aussage stammen: »Alle mögliche Fazilitäten der Kommunikation sind es, worauf die gebildete Welt ausgeht, sich zu überbieten, zu überbilden und dadurch in der Mittelmäßigkeit zu verharren.«
    Was der dichtende Schwerenöter damit sagen wollte: Es gab damals wie heute einfach zu viele Möglichkeiten zu sabbeln.
    Die Wege, um miteinander zu kommunizieren sind so mannigfaltig, dass Missverständnisse vorprogrammiert sind. Telefon, Fax, E-Mail, ICQ , IRC , WhatsApp, iChat, Skype, Xing, My­Space, Facebook, Twitter – man weiß fast gar nicht mehr, aus welchem Chatfenster man sich stürzen soll. Öffnet man heute die Klappe seines tragbaren Computers, lauern im Arbeitsspeicher die zahllosen Dienstprogramme, die aus dem Ruhezustand von null auf hundert rasen und uns mit Dings, Dongs, Plöngs und Summs übereifrig mitteilen, dass wir der Welt da draußen gerade noch gefehlt haben. Während das E-Mail-Programm mit Brumms und Bamms die guten Mails ins Inbox-Töpfchen, die schlechten Mails ins Spam-Kröpfchen sortiert, zeigt uns der Client für Internettelefonie mit Baddeldamm, dass man sieben Anrufe und, Baddeldumm, zwölf Chatan­fra­gen verpasst hat.
    Während man noch überlegt, wer die Anruferin mit User­namen »Glossypussy07« ist und warum sie sich laut eigener Aussage so allein fühlt, lässt uns Facebook über alle zur Ver­fügung stehenden Kanäle wissen, dass das Internet in den letzten zwei Stunden offenbar komplett umgebaut wurde: »Ludger Wenkmann hat 17 neue Freunde. Benny Breitner hat seinen Beziehungsstatus geändert. Maria Morgensternchen hat dir einen Beitrag an die Pinnwand gepostet, und überhaupt MUSST DU GUCKEN, WAS HIER LOS IST, VERDAMMT NOCH MAL! «
    Jajajajaja, aber vorher scrollt man sich noch durch die Timeline des Twitter-Accounts – bis

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