Hilfe, ich habe Urlaub
2000 Dollar, um einem Kind die Zähne zu richten, das ohnehin nie lächelte. Dieses Jahr war es: »Papi! Papi! Das Gras vor meinem Zimmerfenster ist naß, matschig und stinkt!«
Es war unbegreiflich. Helen und Hal verdienten nicht mehr als wir, doch jedes Jahr brüteten sie über Katalogen, sparten und planten und - verreisten. Dann kamen sie alle vier erholt zurück, um es die nächsten fünfzig Wochen wieder mit den Raten für die Hypothek und den Reparaturen am Wagen aufzunehmen.
Seit unserer Hochzeit waren wir einmal weggefahren. Mein Mann arbeitete damals als Lehrer für Sozialkunde, und wir bekamen das Angebot, die Schüler der Klasse dreizehn auf einer Klassenfahrt nach Washington und New York zu begleiten, wobei die Reise für uns, die Aufsichtspersonen, kostenlos wäre. Jemand hätte uns vorwarnen sollen, daß der einzige Ort, den man ohne Risiko mit fünfunddreißig geschlechtsreifen Schülerinnen und Schülern der letzten Klasse besichtigen kann, der Nationalfriedhof von Arlington ist. (Und auch dann nur, wenn man sie alle an ein Seil bindet und im Gänsemarsch führt.)
Vor unserem Haus drückte jemand auf die Hupe und unterbrach meinen Anfall von
Selbstmitleid. Es war Familie Semple - Howard, Fay und die drei Kinder -, pünktlich wie immer.
Alle fünf machten jeden Sommer bei uns Station auf ihrem Weg von Rochester nach
Kalifornien, wo sie Howards Bruder besuchten. Es kam, wie es kommen mußte. Fay pflegte auszusteigen und zu sagen: »Laß uns auspacken. Wir haben so viel nachzuholen.« Nach einer Viertelstunde hatten wir alles nachgeholt und verbrachten die übrige Zeit mit Gesprächen über Benzinverbrauch, Gartenprobleme und die Beerdigungen von Leuten, bei denen wir so taten, als hätten wir sie gekannt, die wir aber nie kennengelernt hatten. Genaugenommen kannten wir nicht mal Fay und Howard.
Als die Semples noch in Centerville wohnten, hatte ihre Tochter Sissy dieselbe
Klavierlehrerin wie meine Tochter.
Wir begegneten uns einmal im Jahr beim Vorspiel. Drei aufeinanderfolgende Jahre spielte Sissy »Fuchs, du hast die Gans gestohlen«. Kein Mensch brachte es übers Herz, den Semples zu erklären, daß ihre Tochter einfach ihr musikalisches Potential ausgereizt hatte. Einmal schüttete mein Mann Fay unabsichtlich Bowle über das Kleid.
So kam es zu einer Unterhaltung, bei der Fay ihm erzählte, sie zögen nach Rochester, weil Howard dort eine Stelle angeboten bekommen hatte. Mein Mann, der keine Skrupel hat, wenn es darum geht, unser Haus in ein Hotel zu verwandeln, sagte: »Besuchen Sie uns doch, wann immer Sie durch Centerville kommen.«
Fay trug ihr sperriges Schminkköfferchen (sie trug es niemals weiter als einen Meter von ihrem Körper entfernt), während ich mit den Füßen einen großen Koffer auf Rollen bugsierte und in der linken Hand eine Reisetasche und rechts ein Seesäckchen unter dem Arm trug.
»Kippt Bill immer noch Frauen Bowle in den Ausschnitt?« fragte Fay kichernd.
»Mittlerweile kriegt er sogar Geld dafür«, sagte ich und lächelte.
Familie Semple hatte durchaus ihre Verdienste. Howard übte sein Leben lang für die
Gurgel-Olympiade. Er fing damit jeden Tag vor Sonnenaufgang an, hielt bis zum Frühstück durch und gurgelte noch abends, wenn alle schon im Bett lagen und zu schlafen versuchten.
Fays Begabung bestand darin, haushaltsmäßig »abzusterben«, sobald sie ihr eigenes Zuhause verließ. Sie konnte keine Waschmaschine mehr anstellen, fand für kein Bügeleisen mehr die Steckdose und wollte einfach nicht begreifen, wie der Ofen anging. Sie machte nur die ganze Zeit eine hilflose Miene und wimmerte: »Wenn ich wüßte, wo alles hingehört, würde ich’s ja wegräumen.« Dann ging sie nach nebenan, um fernzusehen.
Eines der Kinder, Howard Junior, brachte es fertig, fünfzehn Stunden am Stück einen
Gummiball gegen die Hauswand zu schmettern. Sein Bruder Edwin stahl alles, was nicht niet-und nagelfest war, und Sissy, die aussah wie ein Rauschgoldengel, war der Teufel in Person. Sie schlich sich von hinten an, grub einem ihre Nägel ins Fleisch und machte ein unschuldiges Gesicht, wenn ihr Opfer vor Schmerz aufschrie.
Howard und Fay blieben gewöhnlich fünf Tage. Einmal blieben sie neun Tage, weil ihr
Wagen repariert und ein Ersatzteil bestellt werden mußte. Die Werkstatt schien irgendwo am Nordpol zu liegen.
Als ich mich an diesem Abend vorsichtig in dem Etagenbett der Kinder umdrehte und die Star-Wars-Bettwäsche unters Kinn zog, dachte ich an Fay und
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