Hilflos in deinen Armen
derjenige bin, als der ich mich ausgab. Erwartet Ihr da etwa, dass ich bei Lady Lizette besser ankomme?“
Das sah er völlig richtig, leider. So skeptisch Gillian auch gewesen sein mochte – bei Lizette würde es noch schlimmer sein. Und nicht nur das: Sir Bayard kannte Lizette nicht. Er konnte daher nicht wissen, wie einfallsreich Lizette agierte, wenn es darum ging, sich unliebsamen Dingen zu entziehen.
„Sir Bayard hat recht“, räumte sie widerwillig ein. „Schicke ich einen unter Waffen stehenden Ritter, den sie nie gesehen hat, nimmt sie dem womöglich nicht ab, dass er ihr zu Hilfe kommt. Und wenn sie’s doch glaubt, trödelt sie vermutlich absichtlich noch länger. Ich glaube, das müsst Ihr übernehmen, Dunstan. Euch kennt sie, und ihr kennt Euch aus mit ihren Schlichen. Entweder täuscht sie Rücken- oder Kopfschmerzen vor oder irgendein anderes Zipperlein, womit sie die Reise verzögern kann. Sie wird auch hartnäckig behaupten, sie müsse noch hier oder da einen Höflichkeitsbesuch machen. Vor allem aber vertraut sie Euch, Dunstan, und gemocht hat sie Euch auch immer. Euren Anweisungen wird sie folgen – Sir Bayards nicht unbedingt.“
Dunstan passte die ganze Richtung nicht. „Darf ich Euch darauf hinweisen, Mylady, dass ich nicht mit der Waffe umgehen kann? Sir Bayard ist Reichsritter. Er verfügt sogar über eine königliche Vollmacht, die er einsetzen könnte. Bestimmt kann er Lizette davon überzeugen, dass sie in Gefahr schwebt, und sie zur Heimkehr bewegen. Und sollte Eure Schwester von Feinden angegriffen werden …“
„… hat sie immer noch eine bewaffnete Eskorte dabei“, ergänzte Gillian. „Die bekämet Ihr im Übrigen ebenfalls mit. Das wird mögliche Angreifer mit Sicherheit abschrecken – es sei denn, sie rücken mit einem ganzen Heerbann an, um Lizette gefangen zu nehmen. Den würden sie wahrscheinlich auch brauchen“, fügte sie noch unterdrückt an.
Dunstan zog die Stirn kraus. „Mylady, dürfte ich unter vier Augen mit Euch sprechen?“
Der scharfe Unterton entging Gillian keineswegs, aber hier gab sie die Anweisungen, nicht ihr Verwalter. „Sir Bayard wurde zu unserer Unterstützung gesandt, und da er mit mir per Heirat verwandt ist, kann er getrost alles mithören, was Ihr mir mitteilen möchtet. Ich weiß, Dunstan, dass Ihr Euch lieber Euren hiesigen Pflichten widmen würdet, und mir persönlich wäre es anders auch lieber. Doch gehe ich wirklich davon aus, dass Ihr mehr Glück haben werdet, sie zur Rückkehr zu bewegen, als jeder andere. Meine Wenigkeit eingeschlossen. Sie mag Euch, und vor allem hat sie vor Euch Respekt.“
„Ich halte es nicht für klug, dass ich Averette verlasse, während Sir Bayard hier bleibt“, stellte Dunstan energisch fest und blickte Gillian auf eine nie gekannte Weise an.
Was sah man da in seiner Miene? Argwohn? Zorn? Hass?
Auf einmal war ihr, als könne er all ihre schmählichen Geheimnisse erkennen, ihr schlechtes Gewissen. Als wisse er um das Begehren, das sie empfand, als hielte er sie für besudelt, für unrein. Als sei er nicht mehr in sie verliebt. Ja, als sei sie ihm nicht einmal mehr sympathisch.
„Was wollt Ihr damit andeuten?“, fragte Sir Bayard, der sich nun, die Hände in die Hüften gestemmt, zwischen sie und den Burgvogt schob.
Dunstan wich einen Schritt zurück. „Ich möchte niemandem zu nahe treten, Mylord.“
„Umso besser. Das wäre nämlich ein Fehler.“
Der Kastellan rang nach Fassung. „Es gibt da Gerede, Mylord. Über Euch. Und leider in letzter Zeit auch über Lady Gillian.“
„Was für Gerede?“, herrschte Gillian ihn an.
„Könnt Ihr Euch das nicht denken?“, gab Dunstan zurück. „Ihr seid eine junge, ledige Burgherrin, und er ist ein galanter Ritter, der dafür bekannt ist, dass er gern mit den Damen schäkert.“
Gillians Hand klammerte sich um die Stuhllehne. „Sir Bayard ist mein Verwandter.“
„Umso schlimmer.“
Falls sie gesündigt hatte, dann nur im Herzen. Doch wenn sie hier weiter regieren wollte, musste sie über jeden Tadel erhaben sein. Weil sie eine Frau war.
Dunstan musste also bleiben. Trotzdem hätte sie Bayard nur ungern losgeschickt.
„Dann holt eben der Hauptmann meine Schwester ab“, entschied sie. „Begeistert wird er nicht sein, ebenso wenig wie sie, aber auch er lässt sich von ihr nicht hinters Licht führen.“
Dunstan lächelte – selbstzufrieden und schadenfroh. „Eine ausgezeichnete Entscheidung, Mylady. Mag sein, dass sie Iain zuweilen
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