Hilflos in deinen Armen
beobachtete die Szene aus der Deckung des nahen Waldrands und stieß einen saftigen Fluch aus. „Zu riskant“, knurrte er dem inzwischen glatt rasierten Richard zu. „Sind zu viele!“
„Ihr müsst angreifen! Worauf willst du noch warten?“
Ullric verzog die wulstige Oberlippe. „Ach! Wir sollen die Birne hinhalten? Weil du es sagst? Und du bleibst schön hier hocken wie ’n kleines Mädchen?“
„Dafür seid ihr doch angeworben worden! Um ihn umzulegen!“
„Hier habe ich das Sagen. Ich befehle, wann der Angriff erfolgt, nicht du. Ich hab’s dir doch gesagt! Für selbstmörderischen Blödsinn bin ich nicht zu haben!“
Richard fixierte den Sachsen aufgebracht. „Und jetzt? Willst du etwa auf eine Einladung warten?“
„Ich warte, bis er mit einer kleineren Truppe auf Streife geht. Wer rechnet schon damit, dass er mit einem ganzen Heer anrückt, nur um eine Leiche zu bergen!“
Der frühere Weinhändler beobachtete die am Wiesenrand aufgezogene Truppe. Auch er hatte eine solche Anzahl nicht erwartet. Aber jetzt teilte die Kolonne sich in zwei Gruppen. Eine zog offensichtlich mit Lady Gillian und dem Karren ab, die andere blieb in Stellung. Insgesamt über vierzig Mann!
„Der ist auch nicht von gestern, der Boisbaston“, brummete der Sachse und rieb sich mit dem Schaft seiner Streitaxt über die Wange. „Vielleicht muss ich meinen Haufen ebenfalls aufteilen. Ein paar Gehöfte abfackeln, damit Bayard seinen in noch kleinere Patrouillen aufsplittert. Dann brauche ich nur drauf zu lauern, dass er mir mit so einem Trüppchen in die Arme läuft.“
Richard schimpfte wütend vor sich hin. „Ich hatte eigentlich nicht vor, den Rest meiner Tage damit zu verbringen, de Boisbaston ins Jenseits zu befördern.“
„Dann zieh doch ab! Überlass ihn uns. Und das Weibsbild auch.“
Sosehr es Richard gegen den Strich ging, dass es wohl länger dauerte als gedacht, Bayard und Gillian zu beseitigen – er wollte unbedingt hier warten, bis Armand und seine schöne Gemahlin eintrafen. Dann konnte er seinen ganz persönlichen Rachefeldzug vollenden. Auf keinen Fall wollte er Adelaide dieser Sachsenhorde überlassen.
Er stand auf. „Legt ihn um, und zwar bald. Ich will hier nicht mehr als nötig Zeit verplempern.“
15. KAPITEL
Für Gillian verlief der Rest jenes furchtbaren Tages in einem albtraumhaften Nebel aus Kummer, Verzweiflung, Selbstvorwürfen und Reue.
Sie übergab den toten Dunstan an Father Matthew, ohne sich die Leiche vorher noch angesehen zu haben. Das mochte schwach und feige erscheinen, aber dies eine Mal war sie das ganz bewusst. Bayards Vorschlag folgend, wollte sie ihren Verwalter so in Erinnerung behalten, wie er zu seinen Lebzeiten gewesen war – als Mann in den besten Jahren, als Gefährten und brüderlichen Freund.
Das war er bis zum Eintreffen von Bayard de Boisbaston gewesen. Von da an hatte sich seine Zuneigung zu ihr geändert.
Trotz ihrer Trauer musste sie nach der Überführung des Leichnams so tun, als sei sie völlig gefasst und die Ruhe selbst. Als habe sie alles im Griff. Sie befahl, Dunstans Räumlichkeiten in Ordnung zu bringen und die dort noch befindlichen Sachen zu verpacken. Sie beschloss, seine Habe der Kirche zu überlassen, denn lebende Angehörige hatte er nicht. Mit Father Matthew besprach sie das Requiem, die Totenwache und die Gebete, die für Dunstans Seelenheil gesprochen werden sollten. Sie schrieb einen Brief an Adelaide und schickte einen Boten mit einer Eskorte von zehn Mann. Danach saß sie an der Spitze einer sehr gedrückten Abendtafel, nahm aber nur wenig zu sich. Sie hatte keinen Appetit.
Nach dem Abendmahl ging sie in die Kapelle und betete für Dunstans Seele. Vor der Bahre mit dem in Leichentücher gehüllten Toten kniend, bat sie um Gerechtigkeit für ihren ermordeten Freund, um Gnade und Vergebung für ihre und auch Bayards Sünden.
Am meisten bedauerte sie, dass sie nicht früher mit ihrem Kastellan über dessen und ihre eigenen Gefühle gesprochen hatte. Sie hätte ihm, als sie sein verändertes Verhalten ihr gegenüber bemerkte, sofort klipp und klar sagen müssen, dass er sich keinen Hoffnungen hingeben durfte, dass sie und ihre Schwestern sich Ehelosigkeit gelobt hatten. Dann hätte man seinen Eifersuchtsausbruch und seine plötzliche Flucht, durch die er ja erst in Gefahr geraten war, vielleicht verhindern können.
Vor allem hätte sie sich nicht von Bayard küssen lassen dürfen, hätte nicht ihrem Begehren nachgeben sollen, erst
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