Hilflos in deinen Armen
griff er nach seinem Schwertgurt und zog geräuschlos das Schwert aus der Scheide.
18. KAPITEL
Der da in Bayards Kammer geschlichen kam, war kein von Feinden gesandter Meuchelmörder, sondern Gillian. Gehüllt in ein hellrotes Nachtkleid, das Haar lose um die schlanke Gestalt fallend, blieb sie wie erstarrt stehen, als sie Bayard mit gezückter Klinge erblickte. Er schob aber sofort das Schwert zurück in die Scheide und legte es auf die Truhe.
Leise schloss sie die Tür hinter sich und verharrte dann unschlüssig und mit verschränkten Händen. Ihr Gewand war aus weicher Wolle; die Füße steckten in pelzgefütterten Hirschlederschuhen. Sie wirkte so verlorenen und hilflos, dass er sie am liebsten in die Arme genommen und ihr versprochen hätte, er werde sie immer beschützen.
Stattdessen sagte er aber: „Was macht Ihr hier?“
Sie wagte sich ein bisschen näher. „Euch … Euch besuchen. Ich war sehr vorsichtig, und es ist sehr dunkel. Ich bitte Euch, lasst mich ein wenig verweilen. Ich möchte heute Nacht nicht allein sein.“
Wäre sie streng und herrisch aufgetreten, hätte er möglicherweise die Kraft aufgebracht, sie zum Gehen aufzufordern. Nach ihrer leisen, innigen Bitte jedoch brachte er das nicht übers Herz.
Er trat an den neben dem Fenster stehenden Tisch. Aus dem Burgsaal hatte er sich etwas Wein mitgebracht, dazu einen Kanten Brot und einen Happen Käse, alles für den Fall, dass er in der Nacht Appetit bekommen sollte. „Habt Ihr Hunger? Ihr habt ja wenig gegessen zum Abendbrot.“
„Nein.“
„Wir werden d’Artage und seine Helfershelfer schon erwischen, falls sie hier in der Nähe sind“, versicherte er, glaubte er doch, sie sei von lauter Sorge getrieben hergekommen. „Wenn Frederic bei ihnen ist, finden wir ihn auch.“
Sie gab keine Antwort. Allmählich dämmerte ihm, dass er ihr nicht würde widerstehen können, wenn sie weiter so hilflos und traurig dort vor der Tür stehen blieb. „Verzeiht, Gillian, aber ich glaube, es wäre wohl am besten, wenn Ihr … Ihr müsstet wohl … es wäre wohl besser, Ihr geht jetzt.“
„Ich gäbe Euch nur ungern Anlass zu noch mehr Reue oder Schuldgefühlen“, sagte sie und kam auf ihn zu. „Aber ich möchte bleiben.“ Sie sah zu ihm auf. In ihren Augen stand ein Glänzen – nicht etwa Tränen, sondern … Hoffnung? „Ich möchte dich!“
Wie vom Donner gerührt ob dieser Offenbarung, stand er stocksteif da. Sie legte die Arme um ihn, reckte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
„Ich möchte lieb zu dir sein“, flüsterte sie. „Ich möchte, dass du mich liebst. Ich verlange keine Heirat, denn die wäre ja sowieso ausgeschlossen. Ich verlange überhaupt nichts von dir – wenn ich nur bleiben darf heute Nacht. Bei dir in deinem Bett.“
Forschend ließ er den Blick über ihr Gesicht wandern, als suche er … ja, was? Wahrhaftigkeit? Ehrlichkeit? Die würde er finden, denn was sie gerade gesagt hatte, das war eine Wahrheit, die vom Herzen kam.
Trotzdem sah er sie fragend an. „Ich möchte aber daran erinnern, Mylady, dass ich nicht der Lüstling bin, für den man mich hält.“
Um Gottes willen! Hatte sie ihn gekränkt? „Ich weiß, dass du ein Ehrenmann bist. Ich habe doch mitbekommen, wie du dich den Frauen meines Gesindes gegenüber verhältst. Dabei konnte ich feststellen, dass du ein guter, edler Mensch im wahrsten Sinne des Wortes bist. Sonst wäre ich nicht hier. Mein Begehren ist sündhaft und unsittlich, das ist mir wohl bewusst. Aber dass wir niemals zusammen sein sollen, dass wir uns kein einziges Mal in den Armen liegen, uns niemals lieben dürfen – diese Vorstellung ertrage ich nicht.“ Die Schultern resolut gestrafft, sah sie ihn geradeheraus an. „Falls es dir nicht geheuer ist, weil du glaubst, dass ich noch Jungfrau bin, so kann ich dich beruhigen. Ich bin keine mehr. Vor Jahren hatte ich einen Liebsten, dem schenkte ich meine Unschuld, ehe er starb.“
In seinen Augen flammte Überraschung auf. Dann etwas anderes, das offenbar sein Blut in Wallung brachte. Das ihr verriet, dass er Feuer gefangen hatte.
„Schickst du mich immer noch fort, Bayard? Zwingst du mich, noch eine quälende Nacht allein und einsam zu verbringen? So einsam, wie mein ganzes Leben verlaufen ist?“ Sie trat noch näher auf ihn zu.„Ich bitte dich, Bayard: Wenn dir nur etwas an mir liegt, dann lass mich bleiben. Sei lieb zu mir, wenigstens dies eine Mal.“
„Gütiger Himmel, Gillian“, sagte er kopfschüttelnd und wich
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