Hilflos in deinen Armen
brauche meinen Harnisch. Wir sind mit dem Abmarsch sowieso schon spät dran.“
Gillian winkte ab und ließ ihn eintreten. „Die Arme hat so viel Blut verloren – da wird sie von dem bisschen Lärm nicht wach. Ich helfe dir schnell; du hast ja keinen Knappen mehr.“
Nickend trat er an seine Kiste, in der er Waffenrock und Hauberk aufbewahrte, hob den Deckel hoch und lehnte ihn gegen die Wand. Das wattierte Untergewand konnte er allein anlegen, ebenso wie das Beinzeug, das seine Schienbeine schützte.
„Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass wir die Zahl der Patrouillen erhöhen“, erklärte er leise, während sie ihm beim Anlegen des Hauberks half. „Dadurch können wir mehr Gelände durchkämmen. Ich schickte die Streifen mit jeweils zehn Mann los, immer auf Hörweite des Horns. Dann kann eine Gruppe schnell reagieren und zu Hilfe kommen, sollte eine andere überfallen werden.“
Sie nickte und hob das Kettenhemd an, das den ganzen Körper schützte. Es reichte bis zu den Knien und war mit Ärmeln sowie Haube der schwerste Teil des Harnischs.
„Ein Glück, dass du nicht zu den schwachen deines Geschlechts gehörst!“, bemerkte er, während er die Arme und den Kopf durch die entsprechenden Öffnungen steckte. „Sonst müsste ich mich langlegen und in das Ding hier hineinkrabbeln.“
„Musst du vielleicht auch noch“, erwiderte sie lachend.
Zum Glück konnte er darauf verzichten. Als das Kettenhemd saß, zog er die Kettenhaube über den Kopf, legte Halskrause und Nackenschutz an und zurrte beides mit Lederriemen fest. Gillian brachte ihm derweil den Helm, ein fein gearbeitetes Stück Wertarbeit, allerdings schon mit ein paar Schrammen und Dellen.
„Halb so wild, Gillian“, murmelte er, weil er sah, wie sie die größte Beule ganz oben betastete. „Das war ich selbst. Ich hab das Ding fallen lassen.“ Er lächelte ihr zu, wenn auch eher unsicher. Sie fragte sich, ob er ihr da wohl einen Bären aufgebunden hatte, um sie ein wenig aufzumuntern.
Das verfing zwar nicht, aber sie war ihm trotzdem dankbar für den Versuch. „Ich hoffe, werter Herr Ritter, Ihr geht heute etwas vorsichtiger mit Kopf und Helm um!“
„Ich werd’s versuchen“, versprach er und lächelte noch einmal.
Als er dann endlich abmarschbereit dastand, in vollem Harnisch nebst Waffenrock und Schwert, den Langschild am linken Arm, sagte sie: „Du passt doch auf dich auf, ja? Keine leichtsinnigen Wagnisse!“
„Wo du hier auf mich wartest? Auf keinen Fall!“, versicherte er ihr. „Ich hatte ja noch nie so viel Grund, heil wiederzukommen. Ich lasse dich aber nur ungern hier zurück.“
„Rechnest du denn mit einem Angriff auf die Burg?“
„Für den Fall bin ich überzeugt, dass Lindall und seine Wehr aushalten, bis wir zurück sind. Ich dachte nur, inzwischen wird wohl alle Welt von unserer Liaison wissen. Da dauert es bestimmt nicht mehr lange, bis es auch im Dorf herum ist.“
Welche Schwierigkeiten das nach sich ziehen würde, brauchte er nicht eigens zu betonen. „Ach, das ist doch eine Lappalie! Jedenfalls verglichen mit der Gefahr, in die du geraten könntest, wenn du auf Dunstans Mörder stößt.“ Das war beileibe nicht nur so dahingesagt.
„Unangenehm ist es trotzdem!“ Er fasste sie bei den Händen.
Sie sah ihn trotzig an. „Mit Blicken und Getuschel werde ich schon fertig. Und mir abfällige Bemerkungen ins Gesicht zu sagen, das traut sich keiner.“
„Jedenfalls nicht, wenn du so guckst wie jetzt!“, bekräftigte er mit einem Grinsen. Dann zog er sie an sich, um ihr einen Abschiedskuss zu geben. „Da würde sich sogar der König hüten!“
20. KAPITEL
Wie von Bayard befürchtet, begann auf Averette bereits die Gerüchteküche zu brodeln, noch ehe er mit seiner Patrouille zum Burgtor hinaus war.
Den Anfang machten die Mägde, die mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen worden waren. Die rannten umgehend zum Küchenmeister und petzten aufgeregt, Dena liege auf Leben und Tod, und zwar ausgerechnet in Sir Bayards Kammer. Und um das Maß voll zu machen: Lady Gillian sei ebenfalls dort gewesen – in Nachtgewand und Hemd!
Die Situation war eindeutig, und bald schon kursierten in der Burg die ersten Gerüchte über ein Techtelmechtel zwischen der Herrin von Averette und dem schmucken Rittersmann. Ein Bauer, der seinen Rindviechern Futter brachte, erfuhr das Neueste von einer Magd, und von da an verbreitete sich der Skandal wie ein Lauffeuer im ganzen Dorf.
Gillian war zwar auf das Schlimmste
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