Hill, Susan
nickte. Sie hätte kein Wort herausgebracht. Sharon stand auf und ging hinüber zur Bar. Das Summen fröhlicher Unterhaltungen und Gelächter dröhnte durch den Raum, der Geruch nach Kaffee und Zigarrenrauch hing in der Luft. Es war eine Atmosphäre, in der sie sich verstecken konnte, während sie sich bemühte, ihre Gefühle zu sortieren. Sharon war scharfsichtig genug, sie sofort durchschaut zu haben. Sei vorsichtig, warnte sie sich wieder, sei vorsichtig.
Als Sharon zurückkam, sagte Freya: »Hören Sie, Sharon …«
Sharon hob die Hand. »Ich weiß. Kein Wort zu irgendjemand.«
»Es gibt nichts zu erzählen.«
»Wie Sie meinen. Sie arbeiten mit ihm, Sie wollen nicht, dass es durchsickert. Ich bin kein Idiot.«
»Es gibt kein ›es‹ … wirklich. Ich bin nur neugierig.«
»Ah ja. Neugierig.«
»Na gut, auch von ihm angezogen.«
»Ich wollte Sie nur warnen.«
»Mich warnen – oder mir sagen, ich soll gefälligst die Finger von ihm lassen?«
»Absolut nicht. Erstens ist er nicht mein Typ, und zweitens bin ich versorgt. Aber ich habe zu oft erlebt, dass Ihr DCI Frauen sehr unglücklich gemacht hat.«
»Danke, ich bin gewarnt. Nachdem ich mir von einem Mann die besten Jahre meines Lebens habe zerstören lassen, will ich nicht, dass das noch mal passiert. Aber ich sage Ihnen etwas – wenn er schwul wäre, würde er es dann nicht verbergen und aus einem bestimmten Grund von seinem heimatlichen Terrain fern halten?«
»Wegen seines Vaters?«
»Nach allem, was Sie mir erzählt haben.«
»Könnte sein.«
»Gut, jetzt aber genug von Männern. Wenn ich in einen Ihrer Läden käme, wie viel Rabatt würde ich auf ein Paar Armanihosen bekommen?«
Auf dem Heimweg machte Freya einen Umweg über den Hügel. Niemand war zu sehen. Das Polizeiband versperrte immer noch die Eingänge, wurde vom Wind hin und her gezerrt und erinnerte an Tod und Unheil wie bei jedem Tatort. Wenn es ein Tatort ist …, dachte sie, ging langsam zu einer der Lücken, die zu den im schwindenden Licht kahl und öde wirkenden Hängen hinaufführten. Es war leicht, hier Geister heraufzubeschwören, ebenso wie Vorstellungen von Furcht und Gewalt. An einem sonnigen Sommertag würde der Hügel Charme und Ausgelassenheit verströmen, mit umherrennenden Kindern, Leuten, die ihre Hunde ausführten, Läufern, die in Trikothemden und Lycra schwitzten.
Was war hier passiert? Sie wusste, dass es hier gewesen war, sie hatte das sichere Gefühl, es gab zu viele Verbindungen. Der junge Mountainbiker war hier zuletzt gesehen worden. Jim Williams hatte Angela Randall in den Nebel laufen sehen. Debbie Parker hatte sich angewöhnt, hier am frühen Morgen spazieren zu gehen, weil ihr gesagt worden war, es sei eine günstige Zeit. Selbst Skippy, der Yorkshireterrier, war hier von Jim Williams weggelaufen und im Unterholz verschwunden.
Was passierte hier und warum? Wo war die Verbindung, nicht nur zwischen drei Menschen und einem Hund, die alle zuletzt auf dem Hügel gesehen worden waren, sondern auch in jedem anderen Sinn? Gab es eine? Wenn ja, war sie verborgen, und Freya bekam keinen Zugang dazu.
Sie sah sich noch einmal um. Als Polizistin hatte sie stets das Gefühl motiviert, den Verbrechensopfern etwas schuldig zu sein, jenen, die aus dem einen oder anderen Grund nicht für sich selbst sprechen, sich nicht verteidigen oder sogar rächen konnten, weil sie entweder unfähig, bedroht oder tot waren.
Jetzt war sie derselben Überzeugung. Sie musste für die Vermissten arbeiten, selbst für den vermissten Hund. Keiner von ihnen war aus eigenem Antrieb verschwunden, daran zweifelte sie nicht.
Sie stieg wieder ins Auto und fuhr weg, aber die Melancholie und Einsamkeit des Hügels ließen sich auf dem Heimweg nicht abschütteln.
Das Essen mit Sharon war erfreulich und mal etwas ganz anderes gewesen, ungeachtet des wirklichen Grundes ihrer Verabredung. Freya mochte Sharon, mit leichtem Vorbehalt, und würde versuchen, die Freundschaft zu pflegen, obwohl sie ihr nie ihre Geheimnisse anvertrauen würde, dazu hatte es in Sharons Augen zu eifrig geglitzert und das Verlangen nach Klatsch war zu deutlich gewesen. Freya konnte über alles, was mit ihrer Arbeit zusammenhing, den Mund halten. Aber es war auch nicht die Arbeit gewesen, über die sie mit Sharon Medcalf hatte reden wollen.
Den Rest des Nachmittags verbrachte sie mit Verdrängungsaktivitäten – einkaufen, Wäsche waschen und bügeln. Sie putzte das Badezimmer und duschte. Sie sah sich die
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