Hill, Susan
eingesperrt. Jemand wollte nicht, dass ich das Tageslicht sah. Warst du das? Warst du das? Ich weiß, wer von euch es war, und du weißt es auch, nicht wahr? Du dachtest, ich würde nie zurückkommen, um dich anzuklagen, du dachtest, du könntest mich loswerden, mich vergessen und mein Geld nehmen, sobald ich tot war. Du kannst kein reines Gewissen haben, nicht wahr? Wirst du wohl mit mir sprechen! Du weißt meinen Namen. Du weißt, wer du bist, und ich weiß, wer du bist. Schau mich an, schau mich an, schau, schau …«
Jemand bewegte sich. Der junge Mann hatte den Kopf gesenkt, aber sein Gesicht schimmerte in einem schrecklichen Gelb, sah wächsern und krank aus. Seine Hände lagen auf dem Tisch, die Finger ineinander verschränkt. Er sagte nichts.
Alle starrten Sheila Innis an, die nicht mehr Sheila Innis war, sprachlos und entsetzt.
Aber was als Nächstes kam, war fast noch schlimmer, und es kam so plötzlich, dass Iris meinte, ohnmächtig zu werden, ihr Herz schien zu erstarren und dann schmerzhaft in ihrer Brust zu pochen; sie bekam kaum noch Luft.
Die alte Frau verschwand aus dem Gesicht des Mediums, und eine Sekunde lang sah es so aus, als kehre das vertraute, angenehme Gesicht von Sheila Innis zurück. Dann kam kläffendes Gebell aus ihrem Mund, wie von einem grimmigen kleinen Hund, der sein Territorium verteidigt. Das Bellen hörte nicht auf, wurde lauter und wütender, bis sich Iris die Ohren zuhalten oder aus dem Zimmer laufen wollte. Der Hund klang, als versuche er zu fliehen, aus dem Bellen wurde Winseln, schmerzlich und verängstigt, dann wieder ersticktes Bellen.
Iris wurde plötzlich auf Jim Williams neben sich aufmerksam. Er hatte seinen Stuhl zurückgeschoben, und als sie ihn anschaute, sah sie, dass sein Gesicht gerötet war und er die Augen in entsetztem Erstaunen weit aufgerissen hatte. Er legte die Hand an die Kehle. Das Bellen ging immer weiter, der Mund des Mediums öffnete und schloss sich, ihr Kopf ruckte hin und her, wobei ihr das Haar über die Augen fiel.
Jim stand auf. »Skippy«, sagte er flehend. »Skippy. Skippy. Wo bist du? Was passiert mit dir? Skippy …«
Keiner wusste, was er tun sollte. Jim stand mit der Hand an der Kehle da, seine Schultern zuckten.
Abrupt ging das Licht an. Sheila Innis öffnete die Augen, sah aus, als sei sie aus tiefem Schlaf erwacht. Jim Williams sackte auf seinem Stuhl zusammen.
Gleich darauf öffnete sich die Tür, und ein Mann mit Schnurrbart in einem blauen Hemd und mit Krawatte kam mit einem großen Tablett voller Teebecher und Untersetzer herein, das er auf den Tisch stellte; er lächelte in die Runde, als sei er in ein Treffen der Frauenvereinigung hineingeplatzt statt in eine Séance, die unheimlich und beängstigend geworden war.
Die anderen rührten sich und griffen nach den Bechern. Der Mann verließ das Zimmer und kam mit einem zweiten Tablett zurück, auf dem Teekanne, Milch, Zucker und Kekse standen.
Sheila Innis lächelte. »Danke, mein Lieber«, sagte sie.
Alles wirkte normal, als sei nichts geschehen. Das Gesicht von Jim Williams war immer noch gerötet und verstört, und als er nach einem Becher griff, zitterte seine Hand.
»Geht es wieder? Das hat Sie ziemlich mitgenommen, nicht wahr?«
Es gelang ihm, einen Schluck Tee zu trinken, dann setzte er rasch den Becher wieder ab, um nichts zu verschütten. »Ich habe den kleinen Hund verloren«, sagte er mit heiserer Stimme. »Skippy. Er klang genauso. Das war Skippy.«
»Es ist schrecklich, ein Tier zu verlieren. Das ist den Menschen nie klar. Wenn sie selbst keines gehabt haben, verstehen sie es nicht, meinen, das wäre anders, als einen Menschen zu verlieren, aber eine Weile lang ist es wirklich so.«
»Er ist verschwunden. Einfach verschwunden. Ich bin selbst schuld daran, hätte ihn nicht von der Leine lassen sollen, Phyllis machte das nie, hätte es nie getan, ich fand, sie machte zu viel Theater, aber sie hatte Recht, verstehen Sie, ich hätte ihn nicht losmachen dürfen, und als ich es tat, verschwand er. Und das war sein Bellen. Also ist er tot. Das muss es bedeuten.«
»Wo haben Sie ihn verloren?«
»Auf dem Hügel. Er ist in den Büschen verschwunden. Ich habe gerufen und gerufen, war fast jeden Tag da oben bis zu dieser Polizeisache.«
»Das arme Mädchen?«
»Und die andere. Es wird noch eine vermisst, wissen Sie, eine ältere Frau, seit kurz vor Weihnachten. Ich habe sie gesehen. Ich hab es der Polizei gemeldet. Ich habe auch von Skippy erzählt, aber
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