Hill, Susan
direkt. Wir sind uns ziemlich sicher, dass sie spazieren gegangen ist, und wir sind uns ebenfalls ziemlich sicher, dass sie auf dem Hügel war. Dort war sie in den letzten Wochen oft, und nach dem, was wir zusammenstückeln konnten, war sie vermutlich sehr früh am Morgen unterwegs. Wir hofften, jemand hätte sie gesehen … Erinnerungen können erstaunlich lange nach dem Ereignis wachgerüttelt werden, wenn wir es richtig hinkriegen.«
»Haben Sie schon viele Reaktionen bekommen?«
Freya zuckte die Schultern. »Dies und das. Natürlich gibt es immer eine ganze Reihe von Spinnern … Leute, die behaupten würden, sie hätten gesehen, wie der Mond rosa wurde, wenn wir die Öffentlichkeit darum bitten, sich deswegen mit uns in Verbindung zu setzen.«
Sie wirkte so charmant, so entspannt, so freundlich, aber sie war klug, gab nichts preis, wandte die übliche Verschleierungstaktik an. Er ließ sich davon nicht einen Moment lang täuschen. Die Rekonstruktion hatte bei der breiten Bevölkerung keine Reaktion ausgelöst, die für die Polizei von Nutzen war. Aber so würde es immer sein.
»Ich habe momentan die Leitung dieses Falls übernommen, wenn Sie also meinen, etwas zu wissen, das uns weiterhelfen kann, bin ich die richtige Ansprechpartnerin.«
Er lehnte sich auf dem unbequemen Stuhl zurück und seufzte. »Ich weiß es nicht, ich weiß es einfach nicht. Ich weiß nur, dass ich mir deswegen Sorgen mache. Es wird sehr lahm und pathetisch klingen, wenn ich Ihnen sage, dass ich nicht früher gekommen bin, weil ich es einfach vergessen hatte. Was keine Entschuldigung ist. Ich habe es einfach vergessen.«
»Was haben Sie vergessen?«
»Dass Debbie Parker bei mir gewesen ist.«
»Sie meinen, als Patientin?«
»Ja. Sie kam nur ein einziges Mal. Sie hatte schlimme Akne, das arme Ding … schreckliche Haut, und sie war depressiv, zum Teil wegen ihres Aussehens. Sie war auch ziemlich übergewichtig. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen?«
Freya nickte nur.
»Akupunktur bringt nachweisbare Erfolge bei Hautkrankheiten. Das ist eines der Gebiete, auf dem wir nach gewisser Zeit einen sichtbaren Nutzen der Behandlung erkennen können.«
»Was, soll das heißen, dass Ihre Behandlungen nicht auf alles anwendbar sind?«
»Absolut nicht. Wir haben unsere Stärken … genau wie Nick Haydn – Sie erinnern sich an ihn von Meriels Dinnerparty?«
»Der Osteopath, ja. Ich hatte kaum Gelegenheit, mit ihm zu sprechen.«
»Sein Fachgebiet hat in manchen Fällen enormen Erfolg und ist für die Behandlung anderer Fälle völlig ungeeignet. Man würde niemanden mit Akne zu ihm schicken.«
»Wann war Debbie Parker bei Ihnen?«
»Ich habe in der Datei nachgeschaut. Im Oktober. Sie kam zu einer Anamnese, die ziemlich lange dauert, und zu einer Behandlung. Ich habe ihr vorgeschlagen, drei weitere folgen zu lassen, aber sie kam nicht wieder.«
»Hat sie sich mit Ihnen in Verbindung gesetzt oder erklärt, warum?«
»Nein. Allerdings hat es mich nicht sonderlich überrascht.«
»Warum?«
»Sie schien sich nicht wohl zu fühlen. War nervös.« Er dachte an den Ausdruck in Debbies dickem, unattraktivem Gesicht. »Manche Menschen können die Nadeln nicht ertragen. Die tun nicht weh, aber sie haben Angst davor. Sie können sich nicht entspannen. Debbie war ein unglückliches Mädchen.«
»Unglücklich genug, nach Ihrer Meinung, um sich das Leben zu nehmen?«
Er zögerte. »So etwas ist immer sehr schwer zu beantworten.«
»Nur eine Meinung. Aber es könnte wichtig sein.«
»Dann – nach meiner professionellen Meinung, ja. Ich glaube, sie war die Art junger Frau, die so etwas tun könnte.«
Er sah Freya Graffham ins Gesicht, erhielt aber keine Reaktion. Glaubte sie ihm? Er konnte es nicht erkennen, und das ärgerte ihn.
»Hat sie Selbstmordgedanken geäußert?«
»Nein, nein. Nichts in der Art. Soweit ich mich erinnere, sagte sie, sie fühle sich manchmal ›ein bisschen niedergeschlagen‹ – aber das geht auch vielen anderen Patienten so.«
»Sie hatten nicht das Gefühl, dass ein unmittelbares Selbstmordrisiko bestand?«
Er seufzte wieder und schüttelte den Kopf. »Aber Sie verstehen jetzt, warum ich mir Vorwürfe mache, nicht wahr?«
»Wir haben keinerlei Grund zu der Annahme, dass Debbie sich das Leben genommen hat – dass sie überhaupt tot ist.«
»Unter uns, halten Sie das nicht für die wahrscheinlichste Erklärung?« Sag es mir, dachte er, drängte sie innerlich, sag mir, was du denkst, sag mir, wie das
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