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Hill, Susan

Hill, Susan

Titel: Hill, Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Menschen dunkles Sehnen: Kriminalroman (German Edition)
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später stand das goldene Geschenk auf Freya Graffhams Schreibtisch, glänzte wie das Requisit eines der Heiligen Drei Könige im Krippenspiel.
    Beim Zurückkommen hatte sie die neuesten Berichte durchgesehen. Alle Angaben zu Angela Randall waren in die Vermisstendatei eingegeben und ihre Beschreibung war an die Krankenhäuser geschickt worden.
    Freya hatte im Haus auch nach einem relativ neuen Foto von der Vermissten gesucht, das auf die offizielle Webseite der County-Polizei gestellt werden konnte, aber keines gefunden. Auch sonst gab es keine neuen Erkenntnisse.
    »Und keine Leiche«, sagte der DI, blieb neben ihrem Computer stehen.
    »Das kommt noch.«
    »Haben Sie’s im Gefühl?«
    »Sie scheint ein ziemlich einsames Leben geführt zu haben … Wenn ich in so einem sterilen Kasten wie sie wohnen würde und offenbar keinen Freund oder Angehörigen auf der Welt hätte, würde ich in den Abgrund springen.«
    »Aus dem sie schon vor Tagen geborgen worden wäre.«
    Freya zog das Päckchen wieder zu sich heran.
    Für Dich, mit all meiner hingebungsvollen Liebe, von Mir.
    »Ich überlasse es Ihnen, das Ding zu öffnen.«
    Freya zögerte. In Angela Randalls Haus zu gehen, sogar die Durchsuchung der Schubladen und Schränke, gehörte schlicht zu ihrer Arbeit; sie war sich nicht wie ein Eindringling vorgekommen, weil es dort nichts Privates oder Persönliches gegeben hatte. Nach einem Kontaktnamen oder einer Kontaktadresse zu suchen oder nach Hinweisen, wohin die vermisste Frau eventuell verschwunden war – das war Routine. Aber dieses auffällig eingewickelte Päckchen zu öffnen kam ihr wie das Eindringen in die Privatsphäre vor, etwas, das Randall sehr zuwider gewesen wäre.
    Freya zögerte immer noch, strich mit dem Daumen über das glänzende Papier, setzte dann einen Brieföffner an den sauber verklebten Ecken an. Das Goldpapier fiel auseinander, und darunter kam ein goldenes Kästchen zum Vorschein. Drinnen, zwischen knisterndem Seidenpapier und auf einem Polster aus blauem Samt, lagen ein Paar goldene Manschettenknöpfe mit eingefasstem tiefblauem Lapislazuli.
    Also nicht für Angela Randall, sondern von ihr. »Für Dich«, einen unbenannten Mann, »mit all meiner hingebungsvollen Liebe«.
    Freya betrachtete die Manschettenknöpfe und das Kästchen, den mit Seide ausgeschlagenen Deckel, das Seidenpapier … ein intimes Geheimnis, ausgebreitet auf ihrem Schreibtisch. Auch ein trauriges Geheimnis, ein extravagantes Geschenk von einer einsamen Frau mittleren Alters … für wen? Nicht für einen Verwandten. Einen Liebhaber? Offensichtlich. Doch wenn dem so war, warum gab es dann keine anderen Anzeichen eines Mannes in Angela Randalls Leben?
    Freya holte sich einen Kaffee aus dem Automaten. Ohne irgendwelche Hinweise auf den Aufenthaltsort oder die unternommenen Schritte der Frau, ohne dass sie von jemandem gesehen worden war, ohne Abschiedsbrief und ohne Leiche war Freya klar, dass sie es nicht rechtfertigen konnte, weitere Zeit auf den Fall zu verwenden … und vermutlich schon zu viel Zeit darauf verwendet hatte. Angela Randall war verschwunden, und bis sie in irgendeiner Form wieder auftauchte, war sie nur die Nummer, die Freya ihr zugeteilt hatte … Vermisste Person BH140076/CT.

6
    N ach einer klaren, kalten Nacht sind beim Morgengrauen die Abhänge des Hügels mit einer dünnen Eisschicht bedeckt, und auf den Wernsteinen glänzt der Reif wie Schneckenspuren. Der Boden ist um diese Uhrzeit zu schlüpfrig, die Läufer sind noch nicht da, aber die Mountainbiker keuchen den Hügel hinauf, ihr Atem weiß in der klirrenden Luft.
    Die Frau mit den Dobermännern ist noch nicht auf dem Hügel, aber Jim Williams führt den Yorkshireterrier aus, weil er nicht schlafen kann. In den letzten ein, zwei Wochen sind sie immer früher gekommen, manchmal vor Tagesanbruch, beide warm eingemummelt. Jim hat seiner Schwester versprochen, sich um Skippy zu kümmern, obwohl er den Hund, dessen Atem übel riecht und der nach ihm schnappt, wenn Jim ihm die Leine anlegt, nie lieben wird. Aber Phyl hätte nicht in Ruhe sterben können, bevor geklärt war, dass Skippy nicht zu Fremden geschickt oder eingeschläfert werden würde.
    Heute sausen die Mountainbiker mit gesenkten Köpfen vorbei. Da es keine Läufer zu jagen gibt und noch keine Hunde hier sind, kann Skippy von der Leine gelassen werden, obwohl Phyl so etwas nie getan hätte. Sie hatte den Hund zu sehr gehätschelt, ihn mehr wie ein Kind denn ein Tier im Auge behalten,

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