Hill, Susan
aber genau das hatte sie glücklich gemacht.
Jetzt sieht Jim Williams zu, wie der kleine Hund in einen raschen Trott verfällt, auf das Unterholz zu, und dann zwischen den Bäumen verschwindet. Seiner Meinung nach hat Skippy jetzt ein besseres Leben, ist freier, kann sich artgerechter verhalten.
Der Wind schneidet ihm hier auf dem Hügel wie mit Messern ins Gesicht, aber als es langsam Tag wird, ist der Blick auf Lafferton, das dunkle Band des Flusses und die in der frostigen Luft aufragende Kathedrale, den Aufstieg und die Kälte wert. Von irgendwo auf einem der unteren Pfade hört Jim Williams jetzt die Dobermänner bellen.
»Skippy … Skippy …« Seine Stimme hallt in der bitterkalten Luft, und auf sein Pfeifen fangen die Dobermänner wieder an zu bellen. »Komm her, Junge … Skippy …«
Aber von dem kleinen Terrier ist nichts zu sehen und zu hören, nur das Jaulen der Dobermänner, das sich den Abhang hinauf nähert, und das ferne Rumpeln eines Fahrzeug weit unten auf der Straße.
7
C at Deerborn stand am Fenster ihres Sprechzimmers und schaute durch die Lamellen der Jalousie auf den Praxisparkplatz hinaus. Regen strömte über die Scheibe. Es war fast neun und immer noch nicht ganz hell.
Montagmorgen – eine volle Patientenliste, zwei Pharmavertreter, Anrufe, am Nachmittag eine Schwangerschaftsvorsorge und Hannah, die nach der Schule zum Zahnarzt gebracht werden musste … und Cat hatte noch kaum mit den Weihnachtsvorbereitungen begonnen. Aber all das regte sie nicht sonderlich auf, nur der Gedanke an Karin McCaffertys Termin machte ihr zu schaffen.
Cat ließ die Lamellen mit einem Knall zurückschnappen. Ich schaffe es nicht, dachte sie, und das allein war ein so seltenes Gefühl, dass es sie beunruhigte.
Karin McCafferty war vierundvierzig und von einer Patientin zur Freundin geworden, als Cats Mutter, Dr. Meriel Serrailler, Karin beauftragt hatte, den Garten von Hallam House neu zu gestalten.
Cat sah sie vor sich – groß, wirres rotes Haar, langes ovales Gesicht, cremefarbene Haut. Ein eher unscheinbares Gesicht, das man trotzdem nicht so leicht vergaß. Karin hatte eine hochkarätige Bankkarriere aufgegeben, um Landschaftsarchitektin zu werden, ein Umschwung, der sie verändert hatte, sagte sie. Ihr neuer Beruf hatte sich ebenso gut entwickelt wie ihre robusten Pflanzen. Eine exklusive Gartenzeitschrift hatte vor kurzem über ihre Arbeit berichtet, und einer ihrer Gärten war im Fernsehen vorgestellt worden.
Karin war immer angenehme Gesellschaft, sie interessierte sich nicht nur für Gärten, sondern auch noch für eine Menge anderer Dinge. Sie und Mike McCafferty, ein farbloser Mann, wie Cat fand, waren seit zweiundzwanzig Jahren verheiratet. Keine Kinder. »Wir haben wirklich alles versucht, aber es hat nicht funktioniert; künstliche Befruchtung hatte damals noch eine viel niedrigere Erfolgsaussicht, und ich wusste immer, dass ich nur ein eigenes Kind haben wollte, daher kam Adoption nicht in Frage.«
Sam Deerborn bewunderte Karin, während Hannah deutlich zurückhaltender war. »Sie ist rechthaberisch.«
»Klar bin ich das«, hatte Karin gesagt, als sie das hörte.
Karin McCafferty. Die Röntgenbilder und der Bericht der Onkologin vom Kreiskrankenhaus Bevham lagen auf Cats Schreibtisch.
»Du solltest Patienten nicht zu Freunden werden lassen«, hatte Chris am Abend zuvor gesagt. Vielleicht hatte er Recht, aber Abstand zu halten war nicht Cats starke Seite. Sie nahm sich die Probleme und Schmerzen ihrer Patienten zu Herzen, genau wie deren Freuden, und würde es nicht anders haben wollen. Aber dann kamen die schwierigen Konfrontationen, wie die bevorstehende mit Karin.
Ihr Tischtelefon klingelte. »Es ist schon fast Viertel nach.« Jean, die Sprechstundenhilfe.
»Entschuldigung, Entschuldigung … lassen Sie sie rein.«
Sie schob Karins Befunde zur Seite. Bevor die drankamen, brauchten vierzehn andere Patienten ihre volle Aufmerksamkeit. Lächelnd wandte sie sich der ersten Patientin zu.
Iris Chater war seit dem Tod ihres Mannes gealtert. Aber Cat, die bei Iris’ Eintreten deren untröstlichen Ausdruck bemerkte, wusste, dass der Vorgang umkehrbar war. Im Moment hatten der Schock und der Stress des schmerzlichen Verlustes, die Tränen, der Schlafmangel und die ungewohnte Einsamkeit sie zusammensacken lassen, ihr die Lebenskraft genommen. Aber sie war nicht zu alt, um durch Zeit und Ruhe wieder auf den Damm zu kommen. Jetzt seufzte sie, während sie sich setzte. Ihre
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